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Kommentar Milli GörüsKriminalisierung gescheitert

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Die Ermittlungen gegen Milli Görus wurden wegen fehlender Gründe sang- und klanglos eingestellt. Seine Vertreter müssen deshalb wieder zur Islamkonferenz eingeladen werden.

D em islamischen Verband Milli Görüs kann man so einiges vorwerfen. Seine Strukturen sind undurchsichtig und autoritär und der Islam, den er vertritt, ist sehr konservativ. Milli Görüs steht für Kopftuch, Geschlechtertrennung und einen rigiden Moralkodex, die Weltsicht vieler Mitglieder kann man mit gutem Grund problematisch finden.

Was man Milli Görüs aber offenbar nicht vorwerfen kann, ist, dass es sich dabei um eine "kriminelle Vereinigung" handelt. Entsprechende Ermittlungen gegen den Verband und sechs seiner Spitzenfunktionäre hat die Staatsanwaltschaft München jetzt eingestellt.

Dafür, dass diese einst mit großem Medientrara und spektakulären Razzien in Gang gesetzt wurden, erfolgte dieses Eingeständnis fehlender Gründe für dieses Getöse erstaunlich sang- und klanglos. Der Versuch, einen der größten islamischen Verbände in Deutschland zu kriminalisieren, ist damit fehlgeschlagen.

Daniel Bax ist Meinungsredakteur der taz.

Innenminister Thomas de Maizière täte gut daran, die Vertreter von Milli Görüs jetzt wieder zurück an den Tisch der Islamkonferenz bitten, von der er sie des schwelenden Ermittlungsverfahrens wegen im Frühjahr des vergangenen Jahres ausgeschlossen hatte.

Dass sich die schweren Vorwürfe der Geldwäsche und des Betrugs als haltlos erwiesen haben, macht aus den Milli-Görüs-Leuten zwar noch keine Chorknaben. Noch immer steht etwa der Vorwurf im Raum, die Milli-Görüs-Führungsriege hätte über Umwege einen Hilfsverein unterstützt, welcher der palästinensischen Hamas nahe gestanden habe.

Sollte sich aber auch dieser Zweifel am Ende nicht erhärten, dann wäre es falsch, sich weiterhin einem Dialog mit konservativen Muslimen zu verweigern, die gewaltfrei und offenbar gesetzestreu sind: Das wäre staatliche Integrationsverweigerung von ganz oben.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”

3 Kommentare

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  • K
    Kati

    Es gibt eine 'Islamkonferenz'. Was dann auch fällig ist, ist eine Katholikenkonferenz zwischen den katholischen Bischöfen und der Bundesregierung über die Anerkennung eines bestimmenden Einflusses des Katholizismus in der Gesellschaft.Für die Evangelischen ebenfalls. Für die Zeugen Jehovas usw

    Und dann haben wir ...eben.

  • R
    RedHead

    Wozu brauchen wir überhaupt eine Islamkonferenz? Dieser Schwachsinn Namens Religion sollte Privatsache sein, ich fordere deshalb konsequente Säkularisierung. Das betrifft nicht nur den Islam, die enge Verzahnung zwischen Staat und christlicher Religion stört mich aufgrund höherer Relevanz weit mehr. Wobei die Vorstellung, staatliche Strukturen auf Islamkompatibilität umzustellen ebenfalls beängstigend ist. Scharia - nein danke!

  • FG
    Fatih Güngören

    Mir gefällt die kritische Sicht der TAZ :-D