Kommentar Milizenführer Kongo: Korrektes Urteil, düstere Folgen
Wer kann den Überlebenden des Massakers von Bogoro nach dem Freispruch für einen Warlord die Angst nehmen? Dafür ist Den Haag nicht zuständig.
D er Freispruch, den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag im zweiten Urteil seiner Geschichte ausgesprochen hat, wirkt auf den ersten Blick skandalös. Wie kann es sein, dass das Gericht die Verantwortung eines Milizenführers im Kongo für eines der schlimmsten von seiner Miliz begangenen Massaker nicht für erwiesen hält?
Im Februar 2003 tötete die Miliz FNI zusammen mit einer verbündeten Gruppe im Dorf Bogoro mehrere hundert Menschen. Mathieu Ngudjolo war schon zuvor eine wichtige Persönlichkeit in der Volksgruppe, aus der sich die FNI rekrutierte, und trat Ende März 2003 als FNI-Chef auf. Kann es sein, dass er nichts mit dem Massaker von Bogoro zu tun hatte – einem der größten Verbrechen des Kongokrieges?
Die Anschuldigungen gegen Ngudjolo seien nicht über jeden Zweifel erhaben, stellten jetzt die Richter in Den Haag fest. Viele Zeugen waren ihnen zu vage, widersprüchlich und unglaubwürdig. Bei Zweifeln am Schuldnachweis gilt die Unschuldsvermutung. Es ist korrekt, dass die Richter das auch bei Warlords anerkennen.
ist Co-Ressortleiter Ausland der taz mit Arbeitsschwerpunkt Afrika.
Konsequenzen wird dieses Urteil dennoch haben: im betroffenen kongolesischen Distrikt Ituri, dessen wichtigste Volksgruppen Hema und Lendu zwischen 1999 und 2003 einen blutigen Krieg gegeneinander führten, um den es jetzt in Den Haag ging. Der wichtigste Hema-Führer, Thomas Lubanga, wurde im März verurteilt. Einer der wichtigsten Lendu-Führer, nämlich Ngudjolo, wurde jetzt freigesprochen.
Das werden die Hema nicht verstehen, und unter den Überlebenden des Massakers von Bogoro wird jetzt die Angst umgehen. Wer kann ihnen diese Angst nehmen? Dafür ist Den Haag nicht zuständig. Und sonst macht es auch niemand.
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