Kommentar Militärprozesse in Guantánamo: Der Offenbarungseid
Obama lässt neue Militärprozesse im Gefangenenlager Guantánamo zu und vernichtet damit die letzten Hoffnungen in seinen "change". Gesiegt hat wieder das alte Amerika.
D ie Verfügung, die Barack Obama am Montag in Washington unterzeichnet hat, kommt wenig überraschend. Aber sie setzt einen Schlussstrich unter viele Hoffnungen, die einst in den demokratischen US-Präsidenten gesetzt wurden. Als Obama in seinem Wahlkampf und bei seiner Amtseinführung versprach, er werde die von seinem Amtsvorgänger eingerichtete Institution binnen einem Jahr abschaffen, ging ein Ruck der Erleichterung durch die linke Öffentlichkeit der USA und den Rest der Welt. Die Ankündigung, die Supermacht wolle ihren Fehler korrigieren, öffnete den USA neue Sympathien und neue Möglichkeiten.
Dieses Projekt muss nun als gescheitert betrachtet werden. Im Fall Guantánamo haben sich die Falken durchgesetzt. Gesiegt hat wieder einmal jenes Amerika, das seinen großen und gern plakativ zur Schau getragenen Respekt vor Grundrechten und -freiheiten hintanstellt, wenn es um den Umgang mit seinen mutmaßlichen Feinden geht.
Durch Obamas Verfügung ändert sich wenig an der Haftpraxis. Für die Inhaftierten macht es kaum - wenn überhaupt - einen Unterschied, ob ihre Gefangenschaft wie bisher routinemäßig nur von Militärangehörigen oder künftig auch von Mitgliedern ziviler Regierungsstellen überprüft wird. Dass Obama trotzdem weiterhin von seiner "Absicht" spricht, Guantánamo zu schließen, ist vor allem Kosmetik - der durchsichtige Versuch, seine Anhängerschaft nicht komplett zu brüskieren.
DOROTHEA HAHN ist USA-Korrespondentin der taz in Washington.
Bleiben wird, dass Guantánamo seit Montag eine neue Legitimation erhalten hat. Denn sie kommt von dem Präsidenten, der angetreten war, das Lager abzuschaffen. Als wichtigstes Resultat des monatelangen Zögerns und Abwartens der Obama-Administration kommt unter dem Strich heraus, dass es in Guantánamo künftig mehr Arbeit für die KontrolleurInnen des Gefängnissystems geben wird. Das ist ein dürftiges Ergebnis für einen Reformpräsidenten.
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