Kommentar Milchstreit: Deutsche auf dem Holzweg
Sogar die Milchbauern sind sich nicht einig. Die einen wollen die Milchquote, die anderen EU-Gelder. Doch beides ist der falsche Weg.
M it Eiern, Kastanien und einer Mistgabel wurde Bauernverbandschef Gerd Sonnleitner gestern in Brüssel beworfen - von einem Funktionär des Verbands der Milchviehhalter. Das Spektakel zeigt einmal mehr, dass sich die Bauern keineswegs einig sind, wie sie ihre Probleme lösen sollen. Der Bauernverband will, kurz gesagt, Kohle aus Brüssel, egal aus welchem Topf. Der Milchbauernverband hingegen lehnt Almosen ab und will stattdessen gesetzliche Produktionsbeschränkungen, also Quoten.
Beides ist der falsche Weg. Seit Jahren versucht die EU-Kommission keine Agrarmilliarden mehr zu verschleudern: Trotz des Widerstands von Deutschland und Frankreich und trotz medienträchtiger Proteste der Bauern in Straßburg und Brüssel will sie die Produktsubventionen und Quoten auslaufen lassen. Stattdessen soll mehr Geld in Landschaftspflege und Umweltschutz fließen.
Die deutsche Agrarministerin unterstützt diesen vernünftigen Ansatz nicht. Sie sieht sich ausschließlich als Interessenvertreterin der deutschen Bauern - obwohl die gar keine gemeinsamen Interessen haben. Statt in Brüssel auf verlorenem Posten für die Verlängerung der Milchquote zu kämpfen, könnte Aigner zunächst einmal dafür sorgen, dass die deutschen Milchbetriebe die ihnen zugewiesene Quote nicht überziehen. Das würde den Preis für eine Übergangszeit stabilisieren. In einem zweiten Schritt müssten fairere Verträge zwischen Erzeugern, Molkereien und Großhändlern ausgehandelt werden.
Die EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel, die nervenstark an den von allen Regierungen gemeinsam gefassten Beschlüssen zur Agrarreform festhält, wird der neuen EU-Kommission nicht mehr angehören. Man kann nur hoffen, dass danach nicht ein deutscher oder französischer Agrarlobbyist an ihre Stelle tritt.
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