Kommentar Mietspiegel: Blind auf dem Mietmarkt
Der Mietspiegel belegt deutlich die Probleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Nur die Stadtentwicklungssenatorin hält sich weiter die Augen zu.
D er Mietspiegel sieht dramatisch aus. Tatsächlich ist alles noch viel schlimmer. Die genannten Preise mag es im Bestand noch geben. Wer aber eine Wohnung sucht, kann vom Mietspiegelniveau meist nur träumen. Immerhin belegt das Zahlenwerk, dass Wohnungen teurer werden. Jetzt muss auch Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) zugeben, dass es ein Problem auf dem Wohnungsmarkt gibt. Müsste. Doch sie hält sich weiter die Augen zu. Kein Wunder, dass ihr die Aktivisten aufs Dach steigen.
Die Entwicklung in Neukölln, argumentiert die Senatorin, sei positiv. Die Wohlhabenden, die jetzt dorthin strömen, zögen ja in leere Wohnungen. Ach wirklich? Ein Problem gibt es also erst, wenn Wohlhabende in Wohnungen ziehen, in denen schon jemand anderes wohnt? Das zweite Standardargument der stadtentfremdeten Senatorin lautet: Anderswo sei alles noch viel teurer. Stimmt. Aber darf es Ziel sozialdemokratischer Politik sein, Berlins Innenstadt so unbezahlbar zu machen wie London oder München? Sind - oder waren - die niedrigen Mieten nicht einer der wenigen Standortvorteile Berlins?
Markttest für Junge-Reyer
Machen wir mal den Realitätscheck: Wenn Junge-Reyer es schafft, bis zur Wahl auf dem freien Markt in einem der aufstrebenden Kieze ohne Beziehungen eine Wohnung zu den im Mietspiegel ausgewiesenen Preisen anzumieten, dann darf sie gern im Amt bleiben und weiter behaupten, dass es kein Problem gibt. Ansonsten hätten wir gern eine Neue - mit Blick für die Realität, Einsatz für eine aktive Bodenpolitik und progressiven Mieterschutz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen