Kommentar Merkels Europapolitik: Merkels erfolgreiche Niederlagen
Die Kanzlerin wird widerlegt: Was auf dem Euro-Gipfel verabredet wurde, ist nichts anderes als eine Umschuldung. Gegen eine solche aber hat sie sich bis zuletzt gewehrt.
B undeskanzlerin Angela Merkel hat alle, die ihr europäische Führungsschwäche vorwerfen, zumindest in den vergangenen zwei Tagen wirkungsvoll brüskiert: Sie riss kurz vor dem Krisengipfel die Initiative an sich, reanimierte die deutsch-französische Achse und band geschickt die anderen Staatschefs ein. Taktisch war Merkels Europainitiative jedenfalls ein Erfolg. Ihr ist zu verdanken, dass die Staatschefs überhaupt einen Kompromiss fanden.
Ob sie allerdings auch inhaltlich gewonnen hat, ist noch nicht abzusehen. Denn das, was Merkel als deutschen Sieg verkauft - die freiwillige Beteiligung der Banken -, ist bisher eine faktisch kaum unterlegte Rechnung. Den Banken stehen viele Hintertüren offen, sie können innerhalb der beschlossenen Instrumente für sie günstige Lösungen suchen, und noch längst ist nicht klar, ob sie tatsächlich am Ende eine relevante Summe auf den Tisch legen. Immerhin: Bei einer marginalen Beteiligung wäre ihnen ein immenser Imageschaden gewiss.
Gleichzeitig musste Merkel für den Kompromiss eigene Grundsätze schleifen. Sie fährt die Strategie "Viel Peitsche, wenig Zuckerbrot", hütet sich vor Versprechen und zögert Hilfen hinaus, um Länder wie Griechenland zum Sparen zu zwingen. Dabei scheute sie auch vor Populismen über urlaubende Spanier nicht zurück, mehrfach wurden ihre Aussagen zudem von der Wirklichkeit überholt.
ist Leiter der Berliner Parlamentsbüros der taz.
Auch jetzt wird Merkel widerlegt: Denn was die Staatschefs verabredet haben, ist nichts anderes als eine Umschuldung. Gegen eine solche aber hat sich die Kanzlerin - zumindest in der Öffentlichkeit - bis zuletzt gewehrt, ebenso gegen die Umwidmung des Rettungsschirms. Die Ironie: Merkels Niederlagen sind ein Sieg für Europa. Gerade die Neuausrichtung des Schirms, die sie verhindern wollte, stellt die Weichen für eine Lösung der Krise.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen