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Kommentar MerkelKanzlerin der Exportnation

Reiner Metzger
Kommentar von Reiner Metzger

Der Auftritt der Kanzlerin bei Jauch zeigt: Die politische Krise hat Angela Merkel erstmal überstanden, die ökonomische Krise noch lange nicht.

S ie hat es mal wieder geschafft: Angela Merkel hat eine akute Krise überstanden, vielleicht die weltpolitisch folgenreichste ihrer Amtszeit. Aber warum eigentlich?

Ihre Ausgangslage war denkbar ungünstig: Eine große Mehrheit der Bevölkerung und eine noch größere in ihrer Partei waren und sind gegen eine andauernde Rettung Griechenlands und anderer Euro-Problemländer mit Staatsgeldern; dazu kamen noch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts und zurücktretende Zentralbanker.

Die Verbündeten im Rest der Welt hingegen blickten zunehmend fassungslos auf die deutsche Politik und ihr Zögern. Sie forderten die Deutschen auf, ihre geheiligten Prinzipien endlich über Bord zu werfen angesichts einer drohenden weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Und der Regierung einer Exportnation stehen die Partnerländer im Zweifelsfall näher als die eigenen Wähler.

Bild: taz
Reiner Metzger

ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

Merkel hat dieses Dilemma durchgestanden. Es sah vor allem nach der Berlinwahl nicht gut aus für sie. Aber wie es dem politischen Geschäft nun einmal grundsätzlich zu eigen ist, hat sich das akute Problem durchgesetzt vor den langfristigen Bedenken. Selbst der früher so hartleibige Internationale Währungsfonds will ein Billionen-Euro-Paket schnüren, um den Europäern zu helfen. Welcher deutsche Abgeordnete will da noch mit einem Nein die Schuld an einem weltweiten Crash auf sich laden?

Doch Merkels Sieg wird ihr nur kurzfristig Luft bringen. Denn selbst wenn genug Zeit gekauft wird, damit Griechenland ohne größere Schäden in die Zahlungsunfähigkeit gehen kann und ein Übergreifen auf andere Euroländer verhindert wird: Die finanzielle und politische Rechnung wird irgendwann kommen.

Bis dahin muss die Bundesregierung noch einige Staaten auf ihre Seite ziehen, damit es zu wirksamen Regulierungen des Finanzmarktes kommt. Denn die bisherigen Profiteure zahlen die Rechnung nicht mit. Sie verdienen sogar noch am Hochschaukeln der Krise.

Es ist unklar, ob einer Bundesregierung gelingt, was auch ein US-Präsident nicht ansatzweise schafft. Aber wenn ein systematisches Ungleichgewicht in den Milliardenpaketen steckt, wenn immer die Gleichen zahlen und die anderen profitieren, dann wird es der Union mit der Eurorettung gehen wie der SPD mit Hartz IV: Die Partei wird bei einem ihrer Kernthemen unglaubwürdig. Und zwar langfristig.

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Reiner Metzger
Leiter Wochenendtaz
Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.
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6 Kommentare

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  • H
    Hasso

    Höre ich ständig, dieses beschissene Wort:Exportnation, dann könnt' ich mich häuten. Exportnation wodurch? Durch Lohndumping, Zeitarbeit, Renten und Sozialkürzungen. Profitieren tun ausschließlich die Großkonzerne und vielleicht noch deren Mitarbeiter, sofern sie nicht Zeitarbeiter sind.Fast jede kleine Firma kämpft ums Überleben-, und in der Gastronomie sieht es nicht besser aus. Auf der einen Seite spart man bei der Bevölkerung, auf der anderen, gibt man die Überschüsse wieder an Banken und marode Staaten ab. Was soll das für das kleine Volk für einen Sinn machen? Diese parlamentarische "Schwätzer-Brigade" ist nicht wert sich Volksvertretung zu nennen. Ein Haufen toller Hunde-, nichts weiter.

  • M
    Mika

    Unsere lieben Nachbarn schimpfen uns Nazis. Niemand in Deutschland widerspricht. Armselig. Naja, dafür müssen wir büßen und eben retten. Bis zur Auflösung Deutschlands in der EU-Diktatur von Bilderbergs-, und damit Springers-, und damit Diekmanns-, und damit taz'scher Gnade. Heil und Sieg.

  • A
    Allendorf

    Die politische Klasse wird nicht müde uns zu versichern, wir würden durch die Bürgschaften ein gutes Geschäft machen, weil wir weiter Exportieren können und dafür eine schwächere Währung bekommen. Der starke Schweizer Franken würde die Exporte der Schweiz verhindern.Keiner kommt auf die Idee, dass die Exporte auch dadurch billiger werden, wenn der Bürger sein Geld nicht in den Schuldendienst auf pump stecken, sondern einfach weniger Steuern zahlen muß und dadurch eher Lohneinnahmen hinnehmen will.

     

    Gibt es denn inzwischen eine Zahl, wieviel der Ankauf von Schuldtitel und Bürgschaften mit geringer Bonität den Steuerbürger kostet?

  • W
    WaltaKa

    "Eine große Mehrheit der Bevölkerung und eine noch größere in ihrer Partei waren und sind gegen eine andauernde Rettung Griechenlands und anderer Euro-Problemländer mit Staatsgeldern." Und es juckt euch alle NULL. Es stellt sich die Frage, wann die Ruhe im Lande endet; dann habt ihr sie, die politische Krise. Niemand der Eurobonds- und Transferunionfans hat bisher die Frage beantwortet, was in und mit Deutschland und den normal sterblichen Menschen in Deutschland passiert, wenn aus der Bürgschaft und der Begleichung fremder Schulden eine Überschuldung Deutschlands entsteht. Wenn also das Einlösen der bisherigen Deutschen Bürgschaft in Höhe von ca des doppelten Bundeshaushaltes und geheim gehaltener Bürgschaften für die durch die EZB aufgekauften Schrottanleihen fällig wird. Was bedeutet dies für Deutschland, wer trägt die Kosten, wer büßt für euren losen Worte, wer ist haftbar? Na?

    Wahrscheinlich aber hat die deutsche Regierung sowieso nix zu sagen. Herr Sinn vom ifo-Institut im Fernsehen: Deutschland stehe unter Druck der 'Partner'. Aufgrund unserer Vergangenheit könnten wir uns dem nicht verweigern.

    P.S.: es gibt noch keinen offiziellen Friedensvertrag und es gilt seit 1945 unverändert die Feindstaatenklausel. Alles klar?

  • HA
    Hermann Augustin

    Frau Merkel hat doch längst bei der Mehrheit der Wähler das Vertrauen (das ich nie hatte) verspielt und verloren. Es ist zu befürchten, dass die Chaos-Koalition noch 2 Jahr "regieren" wird. Hoffentlich lässt sich der dann für Deutschland angerichtete Schaden reparieren.

  • X
    XXX

    Endlich einmal ein recht guter Kommentar. Was ich Merkel vor allem vorwerfe ist, dass Sie diese starken und schmerzhaften Regelungen für den Finanzmarkt schon längst hätte ERZWINGEN können.

     

    Man stelle sich einfach einmal vor, beim ERSTEN Rettungspaket für Griechenland (oder besser noch 1-2 Jahre früher vor dem IKB-Retten) hätte Deutschland gesagt, wir retten nur, wenn:

     

    1. eine Finanztransaktionssteuer in Europa in Kraft tritt

     

    2. das Eigenkapital der Banken insgesamt auf 10% hochgesetzt wird (wenn nötig durch Zuschüsse vom Staat gegen Aktien, also Verstaatlichen)

     

    Ich glaube, dass Druckmittel einer Pleite hätte auf jeden Fall Europa, vielleicht aber sogar weltweit ausgereicht, um die gewünschten Punkte zu erreichen. Das Problem ist nur, wenn man gleichzeitig Geburtstagsfeste mit Ackermann ausrichten will (Merkel) und Lobbygelder kassieren (FDP), dann kommen einem solche Ideen nicht einmal oder zu spät.