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Kommentar Merkel & SarkozyZwei Staatschefs, ein Problem

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Auch in Deutschland und Frankreich schwächt sich nun die wirtschaftliche Entwicklung ab. Merkel und Sarkozy müssen dennoch nicht die Ausgaben kürzen.

W as ist schlimmer: ein Absturz der Wirtschaft oder eine hohe Staatsverschuldung? Diese Frage stellt sich nicht abstrakt, sondern beschreibt die Alternative, mit der Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy derzeit konfrontiert sind. Denn in beiden Ländern hat die Wirtschaft eine Vollbremsung hingelegt.

In normalen Zeiten würde jetzt keine Regierung sparen oder eine "Schuldenbremse" debattieren. Denn jede Wirtschaft leidet, wenn der Staat seine Ausgaben kürzt. Bei Baufirmen zum Beispiel gehen schlicht weniger Aufträge ein, wenn die Straßen nicht mehr repariert oder Schulen nicht mehr saniert werden.

Doch es sind keine normalen Zeiten. Die Staatsverschuldung in Frankreich und in Deutschland liegt bei über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist vielen Bürgern unheimlich. Für sie steht fest, dass ein Staatsbankrott droht und die Inflation davongaloppieren wird. Muss man also bedingungslos sparen, auch wenn dies die Wirtschaft in den Absturz treibt?

Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Bloß nicht! Es wäre Wahnsinn, jetzt eine Rezession zu riskieren. Denn die Staatsschulden würden dann nicht etwa sinken - sondern sogar noch weitersteigen. Ist ja auch logisch: Wenn die Wirtschaft schwächelt, brechen die Steuern weg.

Und wie ein Abschwung einen Staatshaushalt verwüstet, hat ab 2008 die Bankenkrise gezeigt. In nur drei Jahren sind die deutschen Schulden von 60 auf über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung explodiert. Diese Erfahrung sollte man nicht wiederholen wollen.

Doch diese Argumente werden nicht jeden beruhigen. Viele fragen sich trotzdem: Und was ist mit dem Staatsbankrott? Eine Regierung kann doch nicht permanent Schulden machen! Stimmt. Aber deswegen muss sie noch lange nicht die Ausgaben kürzen.

Effizienter wäre es, die Einnahmen zu erhöhen. So könnte der Spitzensteuersatz von derzeit 42 Prozent ruhig wieder steigen. Unter Helmut Kohl lag der bei 53 Prozent - und der Exkanzler war nicht gerade als Sozialist bekannt.

Gerecht wäre es außerdem. Die Vermögenden haben den Staat schließlich wie eine Versicherung benutzt, die in der Finanzkrise ihren Besitz abzusichern hatte, indem Rettungspakete für Banken und Wirtschaft aufgelegt wurden. Da wäre es nur fair, wenn die Spitzenverdiener jetzt einen Teil jener Staatsschulden abbezahlen, die durch ebendiese Hilfsmaßnahmen entstanden sind.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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15 Kommentare

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  • A
    AbbaHallo

    Wer hat eigentlich den Spitzensteuersatz für die Reichsten abgesenkt auf 42 %? Waren das nicht die Spezis der SPD und der Grünen? Nie wieder. Gegen die macht Merkel ja sozialistische Politik.

  • J
    Jürgen

    Der deutsche Staatshaushalt hat die Vermögenssteuer eingebüßt. Die Kapitalertragssteuer und der Einkommensspitzensteuersatz wurden gesenkt. Ergebnis einer neoliberalen Politik. Der Staat solle schlanker werden. Jetzt verzocken sich die Banken und wollen ihre Verluste vergesellschaften.

     

    So läuft das aber nicht! Entweder Oder! Sollen ruhig einige Pleite gehen, dass ist gut für die Disziplinierung der Wirtschaft, sage ich. Denn Fehlverhalten (Spekulationsblasen) muss geahndet werden, sonst bräuchte man überhaupt keine Wirtschaftspolitik! Und komme mir nur keiner mit "systemisch", dann werde ich allergisch.

  • M
    Martinus

    @Nullus

     

    Der Hinweis mit den Leerverkäufen, die die Verfasserin getätigt haben könnte, ist ja echt genial! Aber glaubst Du ernsthaft, dass jemand, der so absolut gar keinen Durchblick hat, Leerverkäufe versteht? Das geht der gar nicht um Moral, die rafft einfach wirtschaftliche Zusammenhänge nicht - oder will die uns täuschen? Ist eigentlich eine raffgierige Investmenbankerin mit hoher Kompetenz und hat nur zur Tarnung beim Wirtschafts-Fachmagazin taz angeheuert?

  • N
    Nullus

    Die Automobiler und andere Teile der Wirtschaft brummen bei 130-150%, es werden nicht die gleiche Steigerungsraten wie bisher erreicht, sondern nur auf hohem Niveau stabilisiert, und schon redet die Herrmann von Krise: ich wußte gar nicht, dass die Kommentatorin eine Wachstumsfetischistin ist (Wachstum = Wohlstand?), oder hat sie auf Leerverkäufe gewettet?

    (vulgo möchte, dass eine Rezession kommt)?

  • LW
    lars willen

    noch mehr dummfug.

    die wirtschaft wächst nicht weil die ausgaben gekürzt wurden.habt ihr das nicht mitbekommen.taz lesen wird mehr und mehr zur qual

  • VP
    V. Plaga

    Warum werden Vermögende immer mit Spitzenverdienern gleichgesetzt? Eine hohe Einkommenssteuer ist konsumschädlich und bestraft hohe Leistungen, während die Vermögenden, die gar nicht mehr arbeiten brauchen, ungeschoren davonkommen. Sehr schön kann man dies an Warren Buffets "Klage" über seine angeblich zu geringe Besteuerung sehen, bei der er die Einkünfte aus Vermögen scheinbar fast komplett unterschlägt. Andreas Bangemann hat nachgerechnet, wie gering Buffets Steueranteil im Vergleich zu seinen anzunehmenden Vermögensgewinnen ist:

    http://www.humane-wirtschaft.de/schluss-mit-der-verhtschelung-der-superreichen/

    Da Vermögenssteuern allerdings ebenfalls nicht unproblematisch sind, ist die beste Lösung des Überschuldungs-Vermögens-Problems das Absenken der Zinssätze gegen Null durch Einführung einer Geldumlaufsicherung.

  • D
    Dumbldora

    Eine sofortige und drastische Kürzung der Ausgaben, verbunden mit einer deutlichen Senkung des Spitzensteuersatzes und einer Erhöhung der Freibeträge, ist nicht konjunturpolitisch sinnvoll, sondern vor allem auch gerecht gegenüber den hart arbeitenden Arbeitnehmern des Jetzt und den Steuerzahlern von Morgen - mindestens 30 % der Beamten sind sofort zu entlassen, die Gehälter der verbliebenen Staatsausbeuter sind um mindestens 50 % zu kürzen, niemals wieder darf eine Staats-Pension ausbezahlt werden; ein Verbot von Konjunkturpaketen ist im GG festzuschreiben.

     

    Wie man sieht, sind Ulrike Herrmann und ich nicht ganz einer Meinung; aber im Gegensatz zu der guten Frau gebe ich nicht das Geld anderer Leute (sprich "Des Steuerzahlers") aus - wie man auch an Frau Herrmann sieht, hatte Milton Friedman mit seiner Unterteilung der vier Arten des Geldausgebens nachweislich recht.

  • Y
    yberg

    abgesehen davon,daß eine höhere progression für spitzeneinkommen keine wunder bewirkt,ich schätz mal zwo milliarden mehreinnahmen,erbärmlich wenig angsichts des miserablen zustandes der öffentlichen haushalte,führen steuerabkommen ,wie das mit der schweiz nur dazu,daß immer mehr bürger nicht einsehen zu bezahlen,was steuerflüchlingen auf grund von vollzugsdefiziten geschenkt wird.solange die selben komplizen aus rechts- und steuerberatung,die abkommen der bundesregierung federführend beratend aus- oder mitaushandeln,gesetzestexte schreiben usw.,die auch die steuervermeidung der bestverdiener orchestrieren,wird nix besser-merke griechenland ist auch hier.Frage:wie läufts denn im erbschaftsfall beim schweizer Steuerabkommen.

    ohne wirtschaftliche konsolidierung,die vorerst kürzere arbeitszeiten ohne lohnausgleich vorsieht,höhere unternehmenssteuern,weniger augenzwinkernde vollzugsdefizite,geringere subventionen-genau minuswachstum-ist unsere wirtschaft und gesellschaft nicht zu erneuern.

    zukünftig tritt an die stelle des steuerwettbewerbs, vermehrt der sicherheitswettbewerb der individuen, unternehmen und märkte eines landes,ein blick auf engelland,müßte genügen.

     

    eine gesellschaft,die nicht den mut hat vermögen immer wieder neu auszuspielen-erbschaftssteuer-stranguliert das gesellschaftliche mieinander

    und die wirtschaftliche fortentwicklung

     

    solange politiker sich und die gellschaft nicht als angler sehen sondern als köder für unternehmen im standortwettbewerb,bleiben sie nur manövriermasse für selbsternannte wirtschaftseliten,die auf der kasse hocken,deren inhalt ihnen der staat schenkt und die politische entscheidungen bestimmen und auch gelegentlich kaufen.

  • KI
    Karl Ilnyzckyj

    Sarkozy trägt seinen Spitznahmen "président du CAC40" zu recht. Unter seiner politischen Verantwortung wurden die Reichen und die börsennotierten Firmen Frankreichs in grossem Umfang von Steuern entlasstet. Gleichzeitig hat er den Einnahmenverlusst durch neue Staatsverschuldungen gegenfinanziert. Unter seiner Präsidentschaft stieg die Staatsverschuldung jedes Jahr um ca 100 Mrd Euro und das Haushaltsdefizit von ca 3% au 7,1%. Und jetzt möchte er mit seiner "goldenen Regel" die Rücknahme der Steuergeschenke verhindern.

    Nicht eine "Ausgaben-Orgie" hat die Staatsverschuldungen in der E.U. in die Höhe getrieben, sondern die organisierte Steuerentlastung der Reichen.

    Und sie werden es ihm danken, indem sie auch seinen nächsten Wahlkampf finanzieren.

  • D
    dieter

    Euro-Bonds würden den Euro zum jetztigen Zeitpunkt, zu stark machen. Das wäre schlecht für deutsche Exporte. Deshalb lieber rumgurken damit man nicht viel besser aussieht als die USA, was inzwischen echt schwer ist...

  • K
    Karl-August

    Ich bin zunächst einmal froh, dass diese unsinnigen Eurobonds nicht vorgeschlagen wurden. Hoffentlich werden sie auch nie kommen.

     

    Dagegen wäre eine "Schuldenbremse" genau der richtige Weg. Die gegenwärtige Schuldenkrise zeigt doch, dass es klare und verbindliche Regeln geben muss, am besten mit einem automatischen Sanktionsmechanismus. Wie die Vorgaben dann umgesetzt werden - ob durch Ausgabenkürzungen und/oder Steuererhöhungen - ist eine politische Entscheidung, die jedem Land selbst überlassen sein sollte. Dies setzt natürlich weiterhin die finanzpolitische Souveränität der Einzelstaaten voraus (was in einem lockeren Staatenbund selbstverständlich sein sollte).

     

    Eine "Wirtschaftsregierung" halte ich generell für unnötig. Es sollte nicht so viel vereinheitlicht und koordiniert werden. Was wir brauchen, ist ein gesunder Wettbewerb Europa, bei dem die Länder von einander lernen und sich am Besten orientieren können.

  • P
    Paolo

    Immer wieder spaßig, diese Kommentare in der taz! Wirtschaftlicher Sachverstand tendiert gegen Null, aber mit einem lustigen "Steuern rauf für die Reichen" wird das brav kaschiert. Und der arme Warren Buffet muss auch immer dran glauben, der gute Mann verdient viel Geld mit seiner Wohltätigkeit und hat es so geschafft, als netter alter Mann (der er sicher ist) und nicht als der krasseste aller Turbo-Kapitalisten (der der gleichzeitig auch ist) gesehen zu werden.

     

    Aber unabhängig, ob man Kapitalist, Sozialist oder Basilisk ist - wer über Wirtschaft schreibt, sollte davon Ahnung.

  • R
    ricbor

    Politik lebt davon Geld auszugeben. Wer glaubt, dass höhere Steuereinnahmen die Staatsverschuldung beenden, glaubt auch an den Storch. Gib der Politik 50 Mrd mehr und sie geben 70 Mrd aus.

  • W
    Waage

    Moment Frau Herrmann, so einfach ist das nicht!

    .

    Das mit den 53% stimmt, allerdings lag der normale Mehrwertsteuersatz unter Kohl noch bei schlappigen 14%! (Ich kann mich noch genau daran erinnern!)

    .

    Am sinnvollsten wäre es, alle "Steuerreformen" der jüngeren Vergangenheit rückabzuwickeln und das Steuersystem insgesamt wieder auf den Stand des Jahres 1986 zu bringen...

    .

    O.K., der Grundfreibetrag müsste wegen der Inflation (alle 25 Jahre halbiert sich der Geldwert!) wesentlich höher sein als damals und der Eingangssteuersatz war seinerzeit auch recht happig.

    .

    Insgesamt würde man/frau aber dann feststellen, dass die effektive Steuerlast für die Masse deutlich niedriger, aber das Steueraufkommen im Ganzen höher wäre.

    .

    huch- Zauberei!?!

  • W
    Weinberg

    Merkel und Sarkozy sind DAS Problem!

     

    Liebe WählerInnen in Deutschland und Frankreich erlöst uns endlich von deren (Nichts-)Tun!