Ich weiß nicht, was nun auch Herrn Alt, den ich bislang als seriösen Journalisten schätze, umtreibt, derart vulgär ins Horn der Rhetorik des kalten Krieges zu stoßen (welches sich, das soll nicht unerwähnt bleiben, in der bürgerlichen Medienlandschaft wieder steigender Beliebtheit erfreut).
Unter den Ländern, die sich derzeit in der Top Ten der aufstrebenden kapitalistischen Staaten tummeln, belegt China einen der vorderen Plätze. Es wird liberalisiert und privatisiert was das Zeug hält, der globale Expansionsdrang des chinesischen Kapitals ist enorm, die Unterschiede zwischen Arm und Reich in China werden - wie in der gesamten kapitalistischen Welt - größer. Herrn Alt deucht dieses Land aber unbeirrt als vom "kommunistischen Königsthron" beherrscht.
Wie gut paßt es da, daß demnächst eine Olympiade in Peking stattfindet die man boykottieren kann. Und daß es den wandelnden Glückskes Dalai Laber gibt, mit dem man provozieren kann. Schließlich hat das mit dem Boykott der Olympiade 1980 in Moskau aus Protest gegen den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan auch schon prima funktioniert.
Aber stellen wir uns doch einmal vor, der kommunistische Kaiserstuhl in den USA hätte sich für Olympia 2008 beworben und den Zuschlag erhalten. Dann hätte unsere ebenso gewiefte wie unbeugsame Kanzlerin bestimmt zunächst mit Fidel Castro als Ehrengast provoziert. Später würde die demokratische Wertegemeinschaft dann wegen des angloamerikanischen Überfalls auf den Irak die Olympiade in Washington boykottieren. Zumindest würde Herr Alt diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Denn ein Grund zum Kuschen vor kommunistischen Kaiserstühlen bestünde schließlich nicht. Sie meinen, die USA sind gar nicht kommunistisch? Genauso kommunistisch wie China würde ich sagen.
Sein wir doch mal ehrlich Herr Alt, es mag ja sein, daß Frau Merkel wirklich Freude hätte an der Wiederauferstehung des finsteren mittelalterlichen Feudalismus in einem restaurierten "Free Tibet" mit Nazi- Freund Dalai Lama an der religiösen Spitze. Wahrscheinlicher ist doch aber, daß sie mit allen Mitteln ihr Weltbild vor dem Volk und vor allem vor sich selbst zu retten versucht: Die gleiche Frau Merkel, die aus tiefster Überzeugung eine Gläubige des "Survival of the fittest" im globalen Spiel des liberalisierten Kapitals ist kann natürlich nicht zulassen, daß die dadurch verhießenen Segnungen durch den Expansionsdrang ausgerechnet des chinesischen Kapitals (u.a. in Form von Billigimporten) ausbleiben. Das kann ja schließlich nicht sein, denn genau das ist doch wesentlicher Bestandteil des liberalen Spiels "Kapitalexpansion und Billigjobs" (sie nennt es "Wachstum und Arbeit"). Also kann es nicht am Spiel, nicht an ihren Überzeugungen liegen, denn diese sind unfehlbar. Es liegt an China (oder wahlweise an bösen Terroristen, faulen Arbeitslosen, korrupten Managern). Aber bitte nicht am Glauben.
Also trifft sie sich lieber mit kritischen Journalisten (nein, nicht mit heimischen, die könnten ja etwas kritisieren) in China, springt auf den populären Dalai Lama - Zug und läßt auch sonst kaum eine Gelegenheit aus, um China als unfairen Mitspieler im ansonsten perfekten Spiel hinzustellen. Schließlich sind die Menschen fehlbar, der Glaube (der Markt) ist es nicht.
Das alles läßt aber nach wie vor im Dunkeln, warum Franz Alt solch opportune Kommentare zu solch althergebrachten ideologischen Nebelkerzen der liberalistischen Aristokratie formuliert. Ich hoffe es ist nicht seinem festen Glauben geschuldet.
p.
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