Kommentar Menschenrechte: Den fahrlässigen Staat verklagen
Einzelpersonen können künftig vor einem UN-Gremium Beschwerde gegen ihren Staat einlegen - eine historische Neuerung.
Andreas Zumach ist taz-Korrespondent bei den UN in Genf.
Auf ihrer Sondersitzung in der Nacht vom Donnerstag hat die Generalversammlung der UNO anlässlich des 60. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte eine völlig unverständliche und eine sehr begrüßenswerte Entscheidung getroffen.
Zunächst die unverständliche: Mit dem nur alle fünf Jahre vergebenen Preis der UNO für "hervorragende Beiträge zu Förderung und Schutz von Menschenrechten und Grundfreiheiten" zeichnete die Generalversammlung Benazir Bhutto aus. Die pakistanische Politikern war im letzten Jahr ermordet worden. Bhutto wird damit einsortiert in eine Reihe von Preisträgern, zu denen in diesem Jahr Human Rights Watch und in der Vergangenheit auch Martin Luther King, Nelson Mandela und Amnesty International gehörten. Bei allem Respekt, den man - trotz all ihrer schweren Korruptionsvergehen - vor den politischen Leistungen Bhuttos haben mag: Verdienste in Sachen Menschenrechte zählten auf keinen Fall dazu.
Sehr begrüßenswert hingegen ist, dass die Generalversammlung endlich das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt angenommen hat. Auf Basis dieses Protokolls können Einzelpersonen künftig vor einem UN-Gremium Beschwerde gegen ihren Staat einlegen, wenn ihre wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Rechte (WSK) verletzt wurden - etwa auf Ernährung, Gesundheit, sauberes Trinkwasser, Bildung oder Arbeit. Zwar besteht diese Möglichkeit hinsichtlich bürgerlicher und politischer Freiheitsrechte des UN-Zivilpakts schon seit vielen Jahren. Doch ihre Ausweitung auf die WSK-Rechte wurde von den westlichen Industrienationen in der UNO schon viel zu lange blockiert. Zu Recht stellt daher der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt, fest, dass die historische Bedeutung dieser Entscheidung für den internationalen Menschenrechtsschutz kaum überbewertet werden kann. Jetzt muss die Bundesregierung nur noch ihr zu Anfang des Jahres gegebenes Versprechen einhalten und das Zusatzprotokoll zügig ratifizieren. Erst dann kann es in Kraft treten und auch von den in Deutschland lebenden Menschen genutzt werden.
ANDREAS ZUMACH
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