Kommentar Märkte und Ölpest: Schwarze Hoffnung
Mit BP schlagen die Kosten einer Umweltkatastrophe erstmals voll auf die Bilanz eines Weltkonzerns durch. Verursacht hat diesen Wandel die Politik, nicht plötzliche Vernunft der Märkte.
Angesichts von krepierenden Tieren und zerstörten Existenzen mag es zynisch klingen - doch inmitten des Elends am Golf von Mexiko ist eine hoffnungsvolle Entwicklung zu erkennen: Die Märkte beginnen, Umweltprobleme wahrzunehmen. Die Aktie von BP hat seit Beginn der Ölkatastrophe fast die Hälfte ihres Werts verloren. Ratingagenturen stufen den Konzern als "Ramsch" ein. Und Banken schließen keine langfristigen Verträge mit BP mehr ab.
Diese Situation ist neu. Wenn Ölkonzerne bisher das Niger-Delta oder den Amazonas verschmutzt haben, ist das an der Börse eher honoriert worden - denn Unternehmen, die an der Sicherheit sparen, steigern im Zweifel ihren Gewinn zu Lasten von Umwelt und Allgemeinheit. Nun schlagen die Kosten der Umweltschäden erstmals voll auf die Bilanz durch - mit Konsequenzen bis hin zur möglichen Insolvenz eines Weltkonzerns. Wenn das zur Regel wird, müssen Umweltrisiken künftig sehr viel ernster genommen werden.
Malte Kreutzfeldt leitet das Ressort Ökologie und Wirtschaft der taz.
Möglich geworden ist die neue Umwelt-Sensibilität der Märkte natürlich nicht durch plötzliche Vernunft, sondern durch politische Entscheidungen. US-Präsident Barack Obama hat sehr deutlich gemacht, dass BP nicht auf Haftungsbegrenzungen hoffen darf. Zudem hält er am Moratorium für weitere Tiefseebohrungen fest und zeigt sich entschlossen, die Korruption in den staatlichen Öl-Behörden zu beenden.
Damit nicht genug: Obama nutzt die Ölkatastrophe auch für einen neuen Anlauf, die US-Energiepolitik umzugestalten. Und vielleicht gelingt es mit den konkreten Bildern vom Golf von Mexiko besser als mit der abstrakten Gefahr des Klimawandels, in den USA endlich erneuerbare Energien und Effizienz zu etablieren.
Doch dass die Politik jetzt wirklich die nötigen Konsequenzen zieht, davon scheinen die Märkte noch nicht überzeugt zu sein. Denn dann müsste nicht nur der Kurs von BP einbrechen, sondern der von allen Ölkonzernen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vor der Bundestagswahl
Links liegen gelassen
Migrationsdebatten
Fachkräfte rein
Mögliches Ende des Ukrainekriegs
Frieden könnte machbar sein
Das dritte Geschlecht
Mein Leben als „X“
Fracking und Flüssiggas
Gas, eine nötige Übergangsenergie
Obdachlosigkeit in New York
Eine moralische Verletzung