piwik no script img

Kommentar Machtwechsel ElfenbeinküsteAus Scherben eine Zukunft bauen

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Im Vergleich zur Gegenwart erscheint die 1993 zu Ende gegangene Diktatur als goldene Ära. Um die Elfenbeinküste wieder aufzubauen, braucht Outtara Hilfe.

W ie könnte es weitergehen in der Elfenbeinküste ohne Laurent Gbagbo? Der neue Staatschef Alassane Ouattara übernimmt einen Scherbenhaufen – ein tief zerrissenes Bürgerkriegsgebiet, dessen Bevölkerung zwei Jahrzehnte Verarmung hinter sich hat und ihr Heil vor allem in der Verteufelung und Bekämpfung des jeweiligen Nachbarn sucht. Eine funktionierende Administration kennen die Ivorer nicht mehr, vor allem nicht in den achteinhalb Jahren der Teilung seit 2002, als meuternde Soldaten als Rebellen die Kontrolle über die Nordhälfte des Landes übernahmen und Gbagbo zum Warlord des Südens in Abidjan mutierte.

Im Vergleich zur düsteren Gegenwart erscheint die diktatorische, übertrieben frankophile Herrschaft des 1993 verstorbenen ivorischen Landesvaters Felix Houphouet-Boigny im Rückblick als goldene Ära, in der die Elfenbeinküste das reichste und stabilste Land Westafrikas war. Dies ist auch der tiefere Grund dafür, warum der damalige Premierminister Alassane Ouattara jetzt Wahlen gewinnen konnte, im Bündnis mit dem damaligen Houphouet-Boigny-Nachfolger Henri Konan Bédié.

Die beiden stehen eigentlich für die Vergangenheit der Elfenbeinküste. Aber die ist allemal besser als die traurige Gegenwart, die Laurent Gbagbo verkörpert.

Bild: taz

DOMINIC JOHNSON ist Leiter des Auslandsressorts der taz und zuständig für die Afrika-Berichterstattung.

Aber wer steht für die Zukunft? Gerade weil es darauf keine eindeutige Antwort gibt, ist es so wichtig, dass die internationale Staatengemeinschaft der neuen ivorischen Regierung tatkräftig zur Seite steht. Der erste Schritt ist das konsequente Einschreiten gegen die verbliebenen Gbagbo-treuen Plünderer, was UN-Soldaten in Abidjan teilweise bereits tun. Als Nächstes aber müssen politische und wirtschaftliche Perspektiven erarbeitet werden, die die Ivorer dazu ermutigen, ihre Zukunft ohne Blutvergießen zu gestalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • A
    andreas_fecke

    Wir stehen kurz vor einem historischen Moment, der sich allerdings erst dann als wirklich historisch erweisen wird, wenn Ouattara in den vergangenen vier Monaten seines "Präsidentenexils" aufgepasst und dazugelernt hat und seinen zweiten Sieg, den militärischen und die Selbstvernichtung des politischen Gegners Gbagbo, dazu nutzen wird, die Wunden der Elfenbeinküste im Sinne der gesamten Bevölkerung zu heilen. Die hat genug gelitten.

     

    Historisch, als dass sich wieder einmal ein Despot letztlich als Papiertiger erweist: Schon nach Beginn des bewaffneten Widerstands in den pro-Ouattara Vierteln in Abidjan (Abobo) vor 2-3 Wochen - nach monatelangem Erdulden des Regimeterrors, weil man auf einen politischen Sieg und Hilfe von außen hoffte -, war zu erkennen, dass die so viel überlegeneren Gbagbo-Kräfte sich nicht einmal dort behaupten, geschweige denn durchsetzen konnten. Aber das war vielleicht der "Vorteil der Stadtguerilla"?

    Jetzt jedenfalls zeigt das Tempo der aufeinanderfolgenden Siege der Ouattara-Milizen (von denen auch keiner aussieht wie ein richtiger Soldat) bei der Flächenoffensive, dass Gbagbo's Streitkräfte anscheinend gar nicht für ihren Präsidenten kämpfen. Mit Ausnahme wohl des harten Kerns seiner Sicherheitskräfte FDS und der militarisierten fanatischen "Patriotischen Jugend" ist er, und wahrscheinlich schon länger, ein General ohne Truppen - sobald es nicht mehr gegen Demonstranten ohne Feuerwaffen geht. In seinem Gefolge offenbart sich derselbe Geist wie in in den liberianischen Söldner-Milizen, die er rief, um die Landbevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und gefügig zu machen oder zur Flucht zu verleiten: Wehrlose terrorisieren, um selber etwas Kasse zu machen, ja; dafür sterben, nein. Für diese Legionen stirbt kein Legionär, eine alte Erfahrung in vielen Ländern Afrikas.

     

    Es ist wohl erst der Umstand des internationalen militärischen Einsatzes in Libyen, der das Ouattara-Lager dazu bewogen hat, nun nicht mehr zu warten und selber militärisch vorzugehen - niemand auf der Welt könnte ihm das momentan vorwerfen und die politische Waagschale damit ändern. Die UNO sagte letzte Woche, sie könne nicht überall agieren wie in Libyen, ein Blankoscheck für die pro-Ouattara- Ex-Rebellen aus dem Norden, die nach dem Einsickern in Abobo als "Unsichtbare Kommandos" nun sichtbar angreifen konnten.

    Politisch relevant ist aber nur, was passieren wird: das Land braucht keinen der Alten mehr, die Altes verewigen, keinen "Gbagbo Nr.X von der anderen Seite", sondern einen neuen Landesvater. Ouattara sollte vorrangig mit Guinea und Liberia und ihren diesbezüglich vorbildlichen Staatschefs zusammenarbeiten. Der Westen (Frankreich vorneweg) sollte bereit sein (im Falle Guinea ist Frankreich es), die Wirtschaftsbeziehung im Sinne der Afrikaner neu zu verhandeln.

  • A
    andreas_fecke

    Wir stehen kurz vor einem historischen Moment, der sich allerdings erst dann als wirklich historisch erweisen wird, wenn Ouattara in den vergangenen vier Monaten seines "Präsidentenexils" aufgepasst und dazugelernt hat und seinen zweiten Sieg, den militärischen und die Selbstvernichtung des politischen Gegners Gbagbo, dazu nutzen wird, die Wunden der Elfenbeinküste im Sinne der gesamten Bevölkerung zu heilen. Die hat genug gelitten.

     

    Historisch, als dass sich wieder einmal ein Despot letztlich als Papiertiger erweist: Schon nach Beginn des bewaffneten Widerstands in den pro-Ouattara Vierteln in Abidjan (Abobo) vor 2-3 Wochen - nach monatelangem Erdulden des Regimeterrors, weil man auf einen politischen Sieg und Hilfe von außen hoffte -, war zu erkennen, dass die so viel überlegeneren Gbagbo-Kräfte sich nicht einmal dort behaupten, geschweige denn durchsetzen konnten. Aber das war vielleicht der "Vorteil der Stadtguerilla"?

    Jetzt jedenfalls zeigt das Tempo der aufeinanderfolgenden Siege der Ouattara-Milizen (von denen auch keiner aussieht wie ein richtiger Soldat) bei der Flächenoffensive, dass Gbagbo's Streitkräfte anscheinend gar nicht für ihren Präsidenten kämpfen. Mit Ausnahme wohl des harten Kerns seiner Sicherheitskräfte FDS und der militarisierten fanatischen "Patriotischen Jugend" ist er, und wahrscheinlich schon länger, ein General ohne Truppen - sobald es nicht mehr gegen Demonstranten ohne Feuerwaffen geht. In seinem Gefolge offenbart sich derselbe Geist wie in in den liberianischen Söldner-Milizen, die er rief, um die Landbevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und gefügig zu machen oder zur Flucht zu verleiten: Wehrlose terrorisieren, um selber etwas Kasse zu machen, ja; dafür sterben, nein. Für diese Legionen stirbt kein Legionär, eine alte Erfahrung in vielen Ländern Afrikas.

     

    Es ist wohl erst der Umstand des internationalen militärischen Einsatzes in Libyen, der das Ouattara-Lager dazu bewogen hat, nun nicht mehr zu warten und selber militärisch vorzugehen - niemand auf der Welt könnte ihm das momentan vorwerfen und die politische Waagschale damit ändern. Die UNO sagte letzte Woche, sie könne nicht überall agieren wie in Libyen, ein Blankoscheck für die pro-Ouattara- Ex-Rebellen aus dem Norden, die nach dem Einsickern in Abobo als "Unsichtbare Kommandos" nun sichtbar angreifen konnten.

    Politisch relevant ist aber nur, was passieren wird: das Land braucht keinen der Alten mehr, die Altes verewigen, keinen "Gbagbo Nr.X von der anderen Seite", sondern einen neuen Landesvater. Ouattara sollte vorrangig mit Guinea und Liberia und ihren diesbezüglich vorbildlichen Staatschefs zusammenarbeiten. Der Westen (Frankreich vorneweg) sollte bereit sein (im Falle Guinea ist Frankreich es), die Wirtschaftsbeziehung im Sinne der Afrikaner neu zu verhandeln.

  • AA
    Andreas Ackermann

    "Wieso sich an Gesetze halten, wenn man sie selber bestimmen kann?"

     

    Damit beziehst du dich sicher in erster Linie auf den Verfassungsrat, der meint, er koenne Hunderttausende von Stimmen aus Ouattaras Hochburgen annullieren. Obwohl das Gesetz explizit sagt, dass er im Falle von Unregelmaessigkeiten, die den Ausgang der Wahl beeinflussen, Neuwahlen ausrufen muesste.

  • GS
    Gunnar Sturm

    Ouattara und der RDR (entspricht in etwa der FDP), hätte ich ja noch ein bischen Nationbuilding zugetraut. Ich bezweifle aber das er mit den siegestrunkenen Rebellen eine funktionierende Verwaltung aufbauen kann, den die Rebellen (Force Nouvelle)wissen: Gewalt zahlt sich aus!

  • RP
    ralph podzwadowski

    Die Frage nach der Zukunft fuer die Cote d'Ivoire, nachdem die internationale Gemeinschaft durch manipulierte Wahlen (sogar noch schlecht gemacht, aber trotzdem FAST Ihr gewuenschtes Ergebnis erzielt)stellt sich noch nicht.

    Gegenwaertig sind Zehntausende(teilweise bewaffnet) aus den Quartieren in Richtung Gbagbos'Residenz unterwegs, die doch ernsthaft davon ueberzeugt sind das sie IHREN legitmierten Praesidenten schuetzen muessen, vor den ADO-Streitkraeften(vereinte Ecomog,UN und Licorn-Einheiten, aber psst nicht weiter sagen). Aber gut, nachdem dieses fanatische Fussvolk irgendwie beseitigt wird( noch schnell geheuchelt: das es wirklich schlimm ist, was Afrikanern anderen Afrikanern antuen)und auch die anderen Millionen zum mitjubeln freundlichst animiert werden; dann wird man von einem nach Rassen/Religionen getrennten "new-ivorischem" Volk sprechen werden. Die derzeitige Voelkerverstaendigung von ADO-Truppen, sieht in der Realitaet so aus: In den "befreiten Gebieten" werden alle Burkinas, Senegalesen ,Doulas usw. in Ruhe gelassen und alle anderen werden gepluendert(ich persoenlich habe ca. 30 Anrufe aus den verschied. Regionen darueber erhalten). Aber hey, es ist Krieg, also mal nicht aufregen ueber so etwas. Na, dann vielleicht ueber die zu 100dertn(in einigen Stunden) getoeten Ivoirern(viele Studenten)die in Yopougon,Poert Boje und anderswo verfaulend rumliegen. Aber es wird alles gut, denn die UN haben jetzt auch offiziel diese Barbareien der ADO-Streikraefte kritisiert(nein,nein keine Sorge, es gibt kein Embargo oder andere Massnahmen, deshalb doch nicht).

    Eine Frage: Wie kommt der Fanatismus in die Welt?

    Alle Menschen sind gleich und haben die gleichen Rechte?! ich muss mich doch hier wirklich fuer so was naives bei den Lesern vielmals entschuldigen. Es ist doch eher so: Wieso sich an Gesetze halten, wenn man sie selber bestimmen kann?

    Uebrigens, fast gewonnen ist halt noch nicht gewonnen und der Siegerpreis wird richtig teuer(aber nur fuer Humanisten).

    Und da die Elfenbeinkueste nun angeblich in Scherben, Truemmern usw. liegt, darf man sich auf die helfenden auslaendischen Investoren freuen; Ado hat dahin sehr gute Verbindungen wie man hoert.

    Entschuldigung, es ist Krieg und man redet von Geschaeften, das ist nicht ruecksichtsvoll.

    merci pour tout -- que dieu vous benissent