piwik no script img

Kommentar Luftverschmutzung in ItalienRichter sorgen für Gesundheit

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

In Tarent wurde ein Stahlwerk stillgelegt, weil es die Luft verseuchte. Wieder einmal ist es nur die Justiz, die etwas bewirkt.

Wir können nicht von der Luft leben“, beklagte sich ein Arbeiter, nachdem das Gericht die Stilllegung des Ilva-Stahlwerks im süditalienischen Tarent verfügt hatte. Wie wahr: Saubere Luft reicht nicht zum Leben. Und wie falsch doch zugleich: Dass verseuchte, vergiftete Luft den sicheren Tod in Hunderten Fällen bedeutet, belegen die von der italienischen Justiz eingeholten Gutachten bis ins kleinste Detail.

Das Stahlwerk steht geradezu beispielhaft für das alte, immer wieder neue Dilemma, worin die Verteidigung der Arbeitsplätze und der Einkommen mit dem Schutz von Gesundheit und Leben der Bürger kollidiert. Denn die Hochöfen, die Walzstraßen brachten von den sechziger Jahren an bescheidenen Wohlstand. Zugleich aber vergifteten Dioxin, Blei und Quecksilber die Menschen, führten zu exorbitanten Raten bei Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Jahrelang standen die Umweltschützer in Tarent auf verlorenem Posten. Das Unternehmen, seit Mitte der neunziger Jahre im Besitz der Familie Riva, tat immer nur das gerade Nötigste – und zog sich ansonsten auf den Standpunkt zurück, mehr gehe einfach nicht, auch wenn anderswo in Europa deutlich mehr ging. Unterstützung erfuhr Ilva dabei durch die Politik, die denkbar lasche Dioxin-Grenzwerte festlegte. Und auch die Gewerkschaften ordneten die Gesundheit den Arbeitsplätzen unter.

MICHAEL BRAUN

ist Italien-Korrespondent der taz und lebt in Rom.

Damit blieb, wie so oft in Italien, nur die Justiz: Seit nunmehr zehn Jahren müssen sich Ilva-Manager wegen Umweltverschmutzung und Körperverletzung verantworten. Das juckte die Firma auch nicht weiter. Umso wichtiger ist der jetzt erfolgte Gerichtsbeschluss: Er zwingt das Unternehmen und die Politik dazu, endlich die nötigen Schritte zu tun, um Arbeitsplätze zu sichern, die nicht mehr mit hundertfachem Tod erkauft sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • W
    wkortlang

    Ich hoffe mal, dass die vorherigen Kommentare satirisch gemeint waren.

     

    Denn das was da die Italiener machen, würde ich mir auch für Deutschland wünschen.

    Hier bei uns gibt es solche Stahlwerke nämlich auch, eines befindet sich sogar in italienischem Besitz. Ich meine, die Situation in Riesa aber auch in Duisburg sind durchaus vergleichbar. Darauf brauchen wir uns überhaupt nichts einzubilden!

     

    Auch die Reaktionen der Überwachungsbehörden sind nahezu identisch. Nur leider gibts solche mutigen Richter bei uns wohl nicht. Sonst sässen hier schon einige Verantwortliche zumindesten in Untersuchungshaft!

  • BH
    Balte Haak

    Genau, die Arbeiter haben ein Recht darauf, sich vergiften zu lassen. Wo kommen wir denn da hin, wenn sich plötzlich Gerichte für die Gesundheit der Menschen verantwortlich fühlen! Gerade in Zeiten der Arbeitslosigkeit ist Gesundheit doch eh zweitrangig. Das rechtfertig auf jeden Fall, den Richtern einen Besuch von sog. Anarchisten zu wünschen, und ja das ist besonders realtistisch ist doch die Durchsetzung von Arbeitschutzrechten völlig der Idee des Anarchismus, in dem ja bekanntlich die Freiheitsrechte des Kapitals an höchster Stelle stehen, zuwiderlaufen. Warscheinlich wirds aber dann doch eher die Mafia sein, die da zu Besuch kommen könnte.

  • M
    Mark

    Ich fordere Solidarität mit den ArbeiterInnen! Es kann nicht sein das diese Richter dort einfach tausende Leute auf die Straße setzen, gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. Ich hoffe das die anarchistische Szene die in Italien zum Glück noch sher stark ist mal bei den Richtern vorbeischauen.

  • M
    Megestos

    Na wenn die Justiz ihren Job macht ist das doch gut.