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Kommentar Linkspartei NRWDie Ohnmacht am Rhein

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Es wird in Nordrhein-Westfalen keine rot-rot-grüne Regierung geben. Das würde die Linkspartei schlicht überfordern. Anders als im Osten ist die Linkspartei in NRW eine echte Neugründung.

E gal wie die Wähler im Mai entscheiden: Es wird in Nordrhein-Westfalen keine rot-rot-grüne Regierung geben. Denn das würde die Linkspartei schlicht überfordern. Anders als im Osten ist die Linkspartei in NRW eine echte Neugründung. Sie hat 2009, mit äußerst unterschiedlichem Erfolg, drei Wahlen absolviert: die Europa-, eine Kommunal- und die Bundestagswahl. Sie strotzt vor aggressivem Selbstbewusstsein, das an Hybris grenzt, und wirkt gleichzeitig erschöpft, überfordert und fragil. Ein Teil der Genossen ist schlicht politikunfähig, verschanzt in einer mentalen Trutzburg, durch deren Schießscharten die ganze Welt als ein einziger Skandal erscheint. Es fehlt der NRW-Linken nicht an intellektuellem und personellem Potenzial, aber an strategischer Klarheit.

Die Linkspartei in NRW braucht Zeit - und die wird sie nicht haben, wenn die Genossen im Mai nicht nur erstmals ins Parlament einziehen, sondern auch gleich noch Staatssekretäre und Minister herbeizaubern sollen.

Lieber langsam - das ist die Logik in der Partei. Betrachtet man die politische Großwetterlage, sieht die Lage ganz anders aus. Wenn Rüttgers im Mai siegt, kann Schwarz-Gelb mit einer soliden Mehrheit im Bundesrat zwei Jahre lang durchregieren. Gelingt es der CDU, die Grünen auch in NRW für ein Jamaika-Bündnis ins Boot zu holen, dann sind alle rot-rot-grünen Träume auf Jahre erledigt und SPD und Linkspartei machtpolitisch an den Rand gedrängt.

In Nordrhein-Westfalen entscheidet sich, ob die konservative Hegemonie in Deutschland von Dauer sein wird. Die Linkspartei kann nicht regieren, müsste es aber. Was tun? Kluge Köpfe bei SPD, Linkspartei und Grüne müssten vorsichtig Chancen für eine Tolerierung ausloten. Und alle müssten, gerade im Wahlkampf, das gegenseitige Trommelfeuer einstellen. Nur: es sieht nicht danach aus.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • D
    Dieter

    Es ist doch immer wieder überraschend, was als realistisch gilt und wer daraufhin zum Realo erklärt wird. Obendrein gibt es unbenannte, aber selbstausgerufene Parteistrategen, die oberschlau den Gang der Dinge bewerten. Und alles nur weil man sich in der TAZ nicht vorstellen kann, dass Dinge so werden, wie sie bis vor 10 Jahren mal waren: vergesellschaftete Unternehmen in der Energiewirtschaft! was für ein Armutszeugnis! Dass das alleine nicht reicht sondern die Frage demokratischer Steuerung noch dazu gelöst werden muß ist heute wohl eher eine Binsenweisheit, aber ganz sicher bewältigbar

  • A
    Amos

    Die Linken haben keine Strategie? Aber ist die Strategie der Konservativen die richtige? Man sieht doch dass die falsch ist. Man macht mehr Schulden,weil man zu feige ist an die Reichen heran zu gehen und an die, die diese Krise zu verantworten haben. Man fährt mit dem Kapital in einem Boot und lässt den Rest der Bevölkerung im Wasser schwimmen. Man hat Jahrzehnte , dem Kapital stets mehr "Zucker in den Arsch geblasen", und was haben diese Nimmersatts zurückgegeben: Mehr Arbeitslose und Hungerlöhne.

    Die haben ihr Kapital aufgestockt und dem Volk die

    Kaufkraft genommen. Das Geld ruht auf Privatkonten

    und man gibt ihnen trotzdem immer mehr dazu, weil man befürchtet, das sie das Land verlassen. Aber

    die gehen trotzdem dahin, wo sie sich noch mehr mästen können. Unsere Politiker sind Jammer-Lappen, die für diejenigen die beste Politik machen, die am meisten spenden.

  • P
    psypunk66

    haha, die taz mit der bild zu vergleichen zeugt schon von einer ziemlichen blindheit. schade, daß auch viele linke nur weicheier sind, und direkt beginnen zu heulen. contenance wäre angebrachter, eine regierungsbeteiligung der linken fände ich persönlich sogar wünschenswert, weil sich dann zeigen würde, was realistisch überhaupt machbar ist. aber da sich die spd ja selbst zerlegt hat, dürfen wir uns weiter über den rassistischen arbeiterführer der nrw-union lachen, zumindest wenn man, wie ich, zyniker ist.

  • W
    William

    Ich glaube die TAZ hat hier einige Grüne und SPD-Anhänger die hier ihre Favoriten pushen.

     

    In anderen Beiträgen werden gerade die Grünen, die jeden Dreck hier mit verbrochen haben bzw. dafür den Grundstein legten, zum "sozialen Gewissen" Deutschlands gequatscht.

     

    Die Linke hat jetzt 4 Parteien, die auf einer Linie sind und sich nur anders färben, gegen sich.

     

    Die CDU wird in den Medien als Arbeiterpartei verklärt, die Grünen machen auf Die Linke, die SPD wird die Oppositionseinheitspartei und die Linke wird zum irren Haufen stilisiert oder garnicht mehr erwähnt.

     

    Man merkt schon wie unsere Journalie tickt.

  • F
    Fred

    Mal ganz ohne Schaum vorm Mund in die Runde gesagt aber wenn ich so alle Berichte der Taz zum einen zu der Jamaika Koalition im Saarland und die Berichte zur NRW Linken so zusammennehme da kann man sich des Eindrucks nicht erwehren dass die Taz eine klare Kampagne gegen mögliche Rot-Rot-Grüne Koalitionen in Bund und Ländern fährt und es was die Grünen betrifft in erster Linie bevorzugt wenn diese Schwarz-Grüne oder Jamaika Koalitionen eingehen.

     

    Zum Schluss noch etwas Polemik: Ich hätte nie gedacht dass die BILD und die TAZ mal eine Koalition eingehen was die Berichterstattung gegen Rot-Rot-Grün und pro Jamaika betrifft.

  • MS
    M. Stocker

    Die einzigen, die hier sinnlos überfordert sind, sind die Journalisten der Taz, zumindest in ihrem Vorstellungsvermögen, dass die Programmvorschläge einzelner Gruppen der Linkspartei vielleicht nicht einfach 1:1 in einen Koalitionsvertrag hineinkopiert werden. Wenn Reinecke das Programm der Schröder-SPD für die unverrückbare Wahrheit hält, kann er das ja einfach so sagen. Die Frage, ob in NRW die konservative, reaktionäre Hegemonie ausgebremst wird (gekippt wird sie noch lange nicht), ist in erster Linie eine Frage der SPD in NRW: ob sie sich vom verheerenden Schröder- Müntefering- Clement-Kurs befreien kann. Und von sonst garnichts. Dass ein paar Linke-Genossen in NRW vielleicht ein wenig zu weit über den Tellerrand der Taz-Journalisten rauszudenken wagen, ist kein Beweis für ihre Regierungsunfähigkeit, sondern allenfalls für das Elend des Taz-Journalismus.