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Kommentar Lidl-FührungNiedrigpreise machens möglich

Kommentar von Annette Jensen

Lidl kündigt seinem Chef. Doch aus dem Datenskandal vor einem Jahr hat der Konzern nichts gelernt. Hohe Strafen und Mindestpreise müssen das ändern.

Diesmal reagiert Lidl sofort. Der Discounter feuert seinen Deutschland-Chef, nachdem zwei Tage zuvor intime Krankheitsdaten von Mitarbeitern in einer Mülltonne gefunden wurden. Offenbar hoffen die Eigentümer des Konzerns, auf diese Weise schnell aus den Schlagzeilen zu kommen. Dass das Leugnen eines Datenskandals die öffentliche Aufmerksamkeit nur erhöht, ließ sich schließlich am Schicksal von Exbahnchef Hartmut Mehdorn bestens studieren.

Ausdruck echter Reue aber ist Lidls Reaktion nicht. Schließlich liegt es kein Jahr zurück, dass der Discounter beim Bespitzeln seiner Beschäftigten mit Hilfe von Detektiven und Kameras erwischt wurde. Das Unternehmen gelobte Besserung, zahlte 1,5 Millionen Euro Strafe - doch die Mitarbeiter wurden weiter ausgeforscht.

Dass Menschen, die die Waren für den Billigshop herstellen und verkaufen, auch Rechte haben, ist in Lidls Unternehmenskultur nicht vorgesehen. Sie gelten ausschließlich als Kostenfaktoren. Profit ist alles, Vertrauen und Würde sind nichts. In nur acht der 3.000 Filialen haben es die Beschäftigten gewagt, einen Betriebsrat zu gründen. Auch Zulieferer werden ausgequetscht und ausgetrickst. Nachdem Lidl im vergangenen Sommer mit dem Versprechen auf Preiserhöhung den Milchboykott der Bauern gebrochen hatte, senkte das Unternehmen kurz danach die Zahlungen wieder und verschleudert die Milch heute zu Niedrigstpreisen. Asiatische Hersteller von Unterhosen schuften für Lidl sowieso unter absolut unmenschlichen Bedingungen.

Doch bleibt die Kundschaft so preisfixiert wie in Deutschland, sieht Lidl keinen Grund, die Beschäftigten anständig zu behandeln. 44 Prozent der Lebensmittel werden hierzulande bei Discountern abgesetzt - und Experten rechnen mit weiteren Steigerungen. Die Käufer sind ignorant, deshalb muss endlich der Staat für die Einhaltung von Regeln sorgen. Dazu sollten nicht nur schmerzhaft hohe Strafen für Bespitzelungen von Mitarbeitern zählen, sondern auch vorgeschriebene Mindestpreise.

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3 Kommentare

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  • P
    Peter

    @Max: Gut abgelacht!

     

    Frau Jensen!

     

    Ziehen Sie Ihren Kopf aus Ihrem Kokon und schauen Sie sich um!

     

    Da wartet eine ganze Welt auf Sie da draußen!

  • S
    Sonja

    Ja Mindestpreise sind eine Superidee. Familien mit Niedrigeinkommen sollten nicht länger von diesen zu niedrigen Preisen profitieren können. Sie müssen endlich in die Abhängigkeit vom Staat getrieben werden, der diese Mindestpreise vorschreibt. Dann wären wir der absoluten staatlichen Kontrolle und dem sozialistischen Ideal endlich wieder einen Schritt näher gekommen.

  • M
    Max

    Genau! Mindestpreise müssen her! Hartz-IV Empfänger konsumieren auch heute schon viel zu viel.

     

    Insbesondere die guten Bio-Sachen sollten vor dem Mob geschützt werden! Nur wer nachweislich Grün wählt, regelmäßig gegen Castortransporte demonstriert und über 50.000€ im Jahr verdient sollte diese edlen Waren antasten dürfen!.

     

    Überhaupt sollte die Regierung viel mehr damit beschäftigt sein sich Preise auszudenken - dort arbeiten schließlich schlaue Leute, die werden es schon wissen. Auch in Planwirtschaften funktioniert das super -- klar, es gibt lange Schlangen, Engpässe und viele Sachen sind echt minderwertig -- aber dafür sind die Preise nicht so willkürlich wie hier sondern schön ordentlich und mit bedacht ausgesucht! So soll es sein!