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Kommentar Lebensmittel-AmpelMehr als rot, gelb, grün

Kommentar von Daniela Weingärtner

Ausgewogene Ernährung lässt sich nicht so simpel abhandlen, wie es die drei Ampelfarben suggeriert hätten. Die Gesellschaft muss schon ein wenig mehr investieren.

G laubt man Grünen und Linkspartei im Europaparlament, dann hat die Fastfoodlobby die übersichtliche Kennzeichnung von Lebensmitteln mit den Ampelfarben Rot, Gelb oder Grün verhindert. Doch die Mehrheit im Plenum, die am Mittwoch die Ampelkennzeichnung ablehnte, ist nicht den Lobbyisten auf den Leim gegangen. Sie hat lediglich ihren gesunden Menschenverstand benutzt.

Ausgewogene Ernährung lässt sich nicht so simpel abhandeln, wie es drei Farben suggerieren würden. Bei Milch vom Biohof mit ihrem hohen Fettgehalt müsste nach dieser Logik die Ampel auf Rot stehen. Grünes Licht gäbe es hingegen für Cola light, weil sie keinen Zucker, sondern Süßstoff enthält. Würden alle Eltern ihren Kindern zum Frühstück Cola light statt Biomilch vorsetzen, wäre damit der Volksgesundheit nicht gedient.

Anders sieht es bei Fertigprodukten aus, die den Verbraucher mit dem Werbeargument locken, sie seien nahrhaft und gesund. Für die Bewertung von Frühstücksflocken reicht der gesunde Menschenverstand nicht aus, da braucht man schon das Chemielabor. Deshalb wird die neue EU-Verordnung dafür sorgen, dass noch mehr Informationen auf die Packung kommen. Die Befürworter der Ampel halten den Verbraucher damit für überfordert.

Bild: privat

Daniela Weingärtner ist Brüssel-Korrespondentin für die taz.

Die bisherigen Erfahrungen mit der Lebensmittelkennzeichnung zeigen aber, dass ernährungsbewusste Kunden gern auch das Kleingedruckte lesen. Die Kundschaft, die beim Discounter Maxipackungen in ihre Caddies türmt, kann mit Nährwertangaben wenig anfangen. Konsumgewohnheiten, elterliche Verantwortung und Essverhalten lassen sich nicht durch Punkte auf der Müslipackung verändern. Wenn vernachlässigte Kinder besser essen sollen, wird die Gesellschaft mehr investieren müssen als die Farben Rot, Gelb und Grün.

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5 Kommentare

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  • ML
    Mika Latuschek

    Daniela Weinberger gefällt sich wieder in der Rolle der Provokateurin. Sicher, auch PolitikerInnen im linken politischen Spektrum haben bei der europäischen Lebensmittelkennzeichnung plakativ agiert und damit ihrer Sache geschadet. Aber es ist nicht entschuldbar, dass die Autorin wichtige Dinge einfach verschweigt, zum Beispiel dass die Angaben der Gehalte von Zucker, Fett usw. jetzt nach dem bewusst völlig unübersichtlich gestalteten GDA-System der Industrie erfolgen sollen und nicht pro 100 Gramm - was dem gesunden Menschenverstand entsprochen hätte und den Verlust der Ampel verschmerzbar machen würde.

     

    Kein Wort auch von ihr zu den Lobbyaktivitäten von Nestlé & Co. Um das zu erfahren, muss ich eine andere Zeitung aufschlagen: "Im Europäischen Parlament ist die Rede von einer der größten Lobby-Schlachten, die Brüssel bisher erlebt hat", schreibt die Frankfurter Rundschau - laut taz ein von einem Kapitalisten gekapertes Ex-Qualitätsblatt - und weiter: "Die Nahrungsmittel-Industrie soll dafür gigantische Millionen-Beträge ausgegeben und die Abgeordneten mit unzähligen E-Mails, Briefen, Anrufen, Gefälligkeitsstudien und PR-Veranstaltungen bombardiert haben." Ist der taz-Autorin das entgangen oder hält sie es für unwichtig oder gar für normal?

     

    Leider ist die Berichterstattung der Brüsseler Korrespondentin der taz oft so lückenhaft wie diesmal. Zusammen mit einer Inlandsredaktion, die immer noch zu oft dem Spiegel hinterherläuft, und dem - in Deutschland wie in den meisten EU-Ländern leider üblichen - nationalen statt europäischen Fokus ergibt sich eine Leerstelle, die sich eine taz des Jahres 2010 nicht leisten sollte.

  • FV
    Franz von Hahn

    Bravo.

    Ampeln sind naturgemäß eindimensional. Sie können gar nicht die verschiedensten Merkmalausprägungen von Lebensmitteln gleichzitig bewerten.

  • JM
    Jost Maurin

    Die Ampel würde sehr wohl differenzierte Informationen über ein Lebensmittel liefern. Jedes Produkt bekäme Einstufungen für vier verschiedene Inhaltsstoffe. Bio-Milch würde also vielleicht eine rote Fläche für viel Fett bekommen, aber auch zwei grüne für wenig Salz und wenig Zucker.

    Klar, auch die Ampel ist nicht perfekt. Aber man muss halt die Alternativen sehen. Und das GDA-System der Industrie ist ja wohl viel manipulationsanfälliger und unverständlicher als die Ampel.

  • L
    Lein

    Natürlich ist die Ampel nicht das NonplusUltra, aber besser als gar nichts. Die Lügereien mit den Portionsangaben (3 halbe Erdnüsse = 1 Portion usw - wer lacht da?) und die winzigklein gedruckten Nährwertangaben sind keine Hilfe. Diejenigen, die die Ampel abgelehnt haben und das hohe Lied vom mündigen Bürger singen (der selbstverständlich die Nährwertangaben lesen und verstehen kann) sollen mal miz zwei quengelnden Kleinkindern durch einen Supermarkt laufen und in aller Ruhe die Nährwertangaben studieren (bitte eine Lupe mitnehmen). Bis sie damit fertig sind, ist der Einkaufswagen voll mit Überraschungseiern und sonstigen Süßigkeiten. Ich wüßte gerne, wieviel Geld sich Südzucker und Co. die Ablehung der Ampel haben kosten lassen.

  • V
    vic

    Wenn Fettgehalt, Zucker, Salz, und bitte auch Zuckerersatzstoffe und andere chemische Zusätze ausreichend groß lesbar pro 100 gramm angegeben werden, ist das ja ok.

    Aber es wird auch portionsweise Angabe erlaubt,

    und wer ist sich schon bewusst, dass diese Angabe z.B. 5 1/2 Gummibärchen, also 1 Portion, entspricht?

    Ich plädiere für die Ampel und Verbraucher mit ein wenig Basiswissen über Lebensmittel.