Kommentar Kurden: Ausweg Autonomie
Eine politische Lösung des Kurdenkonflikts muss mehr umfassen als wie bisher nur ein neues kurdisches Fernsehprogramm. Wie sehr die Zeit drängt, zeigt die neuerliche Eskalation.
E ndlich legt mal jemand die Karten auf den Tisch. Osman Baydemir, einer der prominentesten kurdischen Politiker der Türkei, hat nach Jahren eher diffuser Debatten jetzt erklärt, wie er sich die Zukunft der kurdischen Region und der Türkei insgesamt vorstellt. Folgte man seinen Ideen, würde aus dem straff geführten türkischen Zentralstaat, der einst nach französischem Vorbild gegründet wurde, ein Land, das in seinem föderalen Aufbau der Bundesrepublik ähneln und in der Realität am ehesten Spanien nahekommen würde.
Was Katalanen und Basken in Spanien zusteht, hätte Baydemir gern auch für die Kurden in der Türkei. Und nicht nur für die Kurden: Autonome Regionen könnte es auch am Schwarzen Meer und an der Ägäisküste geben. Die Einwände gegen ein solches Modell sind vielfältig. Die türkische Rechte sieht darin den Anfang vom Ende des Einheitsstaats und eine Aufforderung, die Türkei aufzulösen.
Aber auch liberale und linke Kommentatoren sind skeptisch. Für die einen kommt eine offene Debatte über eine kurdische Autonomie mit eigener kurdischer Fahne zur Unzeit. Andere stören sich generell daran, das Land nach ethnischen Kriterien aufzuteilen: Sie stört der Nationalismus sowohl der Türken wie der Kurden.
ist Türkei-Korrespondent der taz in Istanbul. 2007 veröffentlichte er die Wallraff-Biographie „Der Mann Günther Wallraff" bei Kiepenheuer & Witsch.
ist Türkei-Korrespondent der taz.
Alle Einwände sind mehr oder weniger stichhaltig. Doch eines ist klar: Eine politische Lösung des Kurdenkonflikts muss mehr umfassen als wie bisher nur ein neues kurdisches Fernsehprogramm. Wie sehr die Zeit drängt, zeigt die neuerliche Eskalation im Kampf gegen kurdische Guerilleros. Ob dabei wirklich auch Giftgas zum Einsatz kam oder nicht - die Bilder verstümmelter Leichen zeigen einen Grad der Verrohung an, der die gesamte Gesellschaft bedroht.
Spätestens nach den Wahlen im kommenden Jahr wird die nächste Regierung mit einer politischen Lösung ernst machen müssen, wenn sie einen neuen, brutalen Bürgerkrieg noch verhindern will. Egal wer dann in Ankara das Sagen hat.
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