Kommentar Kundus-Prozess: Orden und Opfer
Vorm Landgericht Bonn versuchen Angehörige der Opfer von Kundus, Schadenersatz zu bekommen. Der deutsche Staat diskutiert lieber über Veteranen.
M anche Wahrheit will einfach klingen und ist doch so zynisch und doppelbödig. Eine Art Triumph war es für Soldaten wie für viele Kritiker, als der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) für den Einsatz in Afghanistan regierungsamtlich die Vokabel „Krieg“ einführte.
In der Tat wäre es unangemessen gewesen, diese Bezeichnung weiterhin zu vermeiden: Schließlich hatte Anfang September 2009 ein deutscher Oberst Bomben auf Dutzende Zivilisten werfen lassen. „Krieg“, das klang wahr und angemessen. „Krieg“ hieß dann aber auch: tote Zivilisten, das kommt vor. Rechtlich hieß das: Diese Todesfälle werden nicht gesühnt.
Vorm Landgericht in Bonn versuchen nun die Angehörigen der Opfer von Kundus, wenigstens Schadenersatz vom deutschen Staat zu bekommen. Eine „Soforthilfe“ gab es damals, später auch Entschädigungen, mittlere vierstellige Summen pro Familie. Jetzt aber ist ein Richter gefragt, zu klären, welcher Art der Schaden war, der in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 entstand: War er verhältnismäßig? Grob fahrlässig herbeigeführt?
ist Inlandsredakteurin der taz.
Noch ist die Klage gar nicht angenommen – aber auch nicht sofort abgewiesen. Das Bonner Landgericht wird vermutlich nicht die große Bühne sein, auf der die deutsche Gesellschaft sich zur Kriegsführung und zu ihren Folgen bekennt. Mindestens aber ist dieser Prozess ein Anlass, darüber nachzudenken, welchen offiziellen Umgang die Republik mit den Kriegsopfern im betroffenen Land pflegt.
Die Verteidigungspolitik kreist seit Jahren um die Fragen, ob man sich hierzulande wieder echte Veteranen, echte Kriegsorden und die komplette national-militärische Symbolkultur gönnen soll. Selbstbezüglicher geht es kaum.
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