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Kommentar KubaAlte Männer proben den Wandel

Kommentar von Bert Hoffmann

Raúl Castro tritt Fidels Erbe an. Er weiß um sein schweres Erbe. Zu Reformen ist er jetzt gezwungen, sonst ist der Vertrauensvorschuss schnell verbraucht.

Raúl Castro tritt in Kuba die Nachfolge seines Bruders an, und die Garde der alten Männer, die mit ihm in die höchsten Ämter des sozialistischen Staates gewählt wurden, ist zum Steinerweichen: Das Durchschnittsalter liegt bei über 70 Jahren, Frauen Fehlanzeige. Stellvertreter des neuen Staatschefs wird ein Veteran, der sogar noch älter ist als der 76-jährige Raúl selbst. Schwungvolle Veränderung sieht wahrlich anders aus. Verändert sich in Kuba also nur der Vorname an der Spitze?

Nicht ganz. Raúl Castro hat immer wieder deutlich gemacht, dass er um das schwierige Erbe weiß, das ihm sein Bruder hinterlässt: um die dramatischen Verzerrungen in der Wirtschaft und um den aufgestauten Frust in der Bevölkerung. Raúl ist kein "Fidel II.", kein charismatischer Anführer, sondern der oberste Verwaltungskader eines militärischen und bürokratischen Apparats. Gerade deswegen braucht er, um Unterstützung und Legitimation zu gewinnen, vorzeigbare Leistungen.

Mittelfristig, so dürfte sein Kalkül sein, kann der Machterhalt nur über ein erhebliches Mehr an manifester Repression gesichert werden - oder aber über Reformen, die wirtschaftliche Verbesserungen und erhöhte gesellschaftliche Freiräume versprechen. Er setzt darauf, zunächst Letzteres zu versuchen. Das stoische "weiter so" des greisen Personaltableaus widerspricht dem nicht, sondern folgt schlicht den Imperativen von Machtbalance, Elitenkohäsion und symbolischer Kontinuität. Diese werden der Führung umso heiliger, je größer die Veränderungen sind, die drohen.

Raúls Plädoyer für Veränderung hat ihm in der Bevölkerung einen gewissen Vertrauensvorschuss eingebracht. Dieser wird sich schnell aufbrauchen, wenn den Worten keine Taten und den Taten keine Ergebnisse folgen. Wie eine solche Reform des kubanischen Sozialismus aber aussehen und wie weit sie gehen kann, das bleibt 49 Jahre nach dem Triumph der Revolution ungewiss. Die Nachfolge Fidel Castros ist mit Raúls Amtseinführung formal abgeschlossen. Ihre eigentliche politische Herausforderung aber beginnt erst.

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