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Kommentar Krise in der ElfenbeinküsteEntscheidung in Abidjan

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der Rückzug der Truppen Gbagbos lässt aufatmen – noch bis vor kurzem sah es nach Völkermord aus. Für die friedliche Wende hätten die Rebellen früher sorgen können.

W ieso sind die Rebellen in der Elfenbeinküste, die seit über acht Jahren die Hälfte des Landes kontrollieren, nicht schon viel früher auf Abidjan marschiert? Schon Ende 2010 hätten sie den grotesken Spuk beenden können, den Präsident Laurent Gbagbo veranstaltete, als er erst Wahlen verlor, dann die Ergebnisse frisierte, den Wahlsieger unter faktischen Hausarrest stellte und seine Gegner in der ivorischen Metropole mit einer Terrorkampagne überzog, die hunderte Tote forderte.

Noch vor einer Woche hatte es so ausgesehen, als treibe die Elfenbeinküste in Richtung Völkermord und als könne nur noch eine Intervention von außen das Schlimmste verhindern. Am Donnerstagnachmittag aber schien die förmliche Übergabe der Macht von Gbagbo an Ouattara nur noch eine Frage von Stunden. Gerade der Umstand, dass eben kein größenwahnsinniger Sarkozy und kein auftrumpfender General aus Nigeria polternd in der Elfenbeinküste einmarschierten, machte diese friedliche Wendung jetzt möglich.

Nach vier finsteren Monaten der Angst und Gewalt hat es jetzt weniger als eine Woche gedauert, bis die nordivorischen Rebellen, neukonstitutiert als Regierungsarmee des gewählten Präsidenten Alassane Ouattara, kampflos bis an die Tore von Abidjan vorrückten. Gbagbos Militär hat die Waffen gestreckt. Lieber ein Ende ohne Schrecken als ein Schrecken ohne Ende: gegen eine solche Lösung dürfte in der Elfenbeinküste auf lange Sicht wohl niemand etwas haben - auch nicht die über jedes Maß in einer Art messianischem Rausch aufgeputschten, bedingungslosen Gbagbo-Anhänger, die es nach wie vor gibt.

Bild: taz

DOMINIC JOHNSON ist Afrika-Redakteur der taz.

Alles läuft jetzt auf ein diskretes Exil für Gbagbo und ein Versöhnungsangebot Ouattaras als Präsident hinaus. Die Ivorer werden aufatmen - und ganz Afrika mit ihnen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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5 Kommentare

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  • A
    Andreas

    An@ralph podzwadowski

    Glatte Lüge! Gbagbos Leute haben die Insassen der Gefängnisse rausgelassen und bewafnet, damit sie Chaos verursachen. Das haben sie auch in anderen Städten gemacht. Und die sind jetzt zusammen mit ein Paar jungen Patrioten die ebenfalls bewafnet wurden und keine Lust haben sich für Gbagbo erschießen zu lassen, an den Plünderungen und Überfällen beteiligt.

  • DP
    Daniel Preissler

    Ach Ralph...

    Gbagbo hatte im 2. Wahlgang das respektable Ergebnis von über 45% der Stimmen, die allermeisten davon im Süden; natürlich freuen sich nicht alle Menschen dort über das schnelle Vorankommen der neuen Armee. Was soll also diese billige Ironie?

    Niemand hat wohl erwartet, dass alles komplett ohne Plünderungen ablaufen würde. Was du jedoch wieder nicht erwähnst, sind die Plünderungen der Gbagbo-Anhänger (in Abidjan) und der Söldner. Schade!

  • RP
    ralph podzwadowski

    2X)Freunde bei der Bevoelkerung??

    In San Pedro,Soubre,Sassandra,Gagnoa,Daloa und in fast allen "befreiten" Staedten ist es ruhig bzw. totenstill.

    Warum jubeln nicht die Massen auf den Strassen den "Befreiern"zu und sind ausgelassen. Sie haben doch nun allen Grund dazu,oder doch nicht??

    Die Befreier oeffnenten u.a. alle Gefaengnisse und bewaffneten deren Insassen(sogar in Abidjan/MACA mit ca; 6.000 Kriminellen!)- Ja, das versteht man(Ado) unter verantwortungsbewussten regieren; aber was sollte auch Ado anderes machen? Alle Generaele usw.( mit welchem Geld bzw. wer das wohl bezahlt hat?)richtig gut ausbezahlt(ja, na es gilt einen Krieg zu vermeiden).

    In Poert Boje und ueberall wo die "Befreier" einmaschieren, werden alle Geschaefte, Maerkte usw. gepluendert und es kommt zu bewaffneten Kaempfen mit den Studentenbewegungen und anderen Gruppen Pro Gbagbo und die UN/Licorn schaut zu.( man kann ja auch mit ueber 10.000 Mann nicht ueberall sein) Bisher sind, Gott sei Dank, noch keine massenhaften Verbrechen an der Zivilbevoelkerung gemeldet worden, aber durchaus schon mehrere Einzelfaelle.

    Aber Ado wollte ja auch die CI neu konstruieren, das ist wahrscheinlich so einfacher fuer ihn.

    Ob nun ausgerechnet durch den ehemaligen Rebellenfuersten ein Frieden(stabil, wohl nicht)und eine prosperierende CI entstehen kann? Zumal dieser "Erfolg" durch die intern. Gemeinschaft konzipiert und durchgepeitscht wurde?

    Hoffnung ist immer da, aber man wird das Geschehene nicht nur juristisch aufarbeiten und die Geschicht wird zeigen was dieser "Sieg" wert ist/war.

  • AA
    Andreas Ackermann

    "Wieso sind die Rebellen in der Elfenbeinküste, die seit über acht Jahren die Hälfte des Landes kontrollieren, nicht schon viel früher auf Abidjan marschiert?"

     

    Das waere moeglicherweise nicht so friedlich abgegangen. Soweit ich hoerte, war einer der Gruende, dass das kampflos abgegangen ist, dass hinter den Kulissen mit den diversen Verantwortlichen im Militaer im Vorfeld verhandelt wurde. Hilfreich dabei war, dass Gbagbo der FDS effektive Waffen vorenthalten hat, und die lieber an seine Guarde Republicaine vergab. Die Armee hatte dann nachvollziehbarer Weise auch keine Lust mehr sich unterausgestattet mit den Ex-Rebellen zu pruegeln.

  • N
    Nachdenker

    Vielleicht wird Ouattara der Elfenbeinküste den Frieden bringen, vielleicht auch bleibt Gbagbo - und die Elfenbeinküste bleibt geteilt. Vielleicht auch ist Ouattara gar nicht legitim gewählt, sondern nur als Präsident ausgerufen. Der Kommentator ist sich sicher. Ich bin es nicht.