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Kommentar Krise im KongoIn Richtung Bürgerkrieg

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die internationale Politik ist mit vielen Problemen beschäftigt. Für den Kongo ist keine Zeit. Am Ende werden sich wieder alle wundern.

Rauchschwaden in Kinshasa Foto: reuters

D ie Lage im Kongo ist brandgefährlich. Auf der einen Seite steht ein Präsident, der bereit zu sein scheint, sich über alle Regeln, Vereinbarungen und Gepflogenheiten hinwegzusetzen, um seine Amtszeit nicht wie vorgesehen im Dezember enden zu lassen. Auf der anderen Seite steht eine Bevölkerung, die in Teilen selbst zum Äußersten entschlossen zu sein scheint, um genau das zu verhindern. Man könnte meinen, das klassische Physik-Paradoxon „Was geschieht, wenn eine unaufhaltsame Kraft auf ein unbewegliches Objekt trifft?“ sei von einem Kongolesen geschrieben worden.

In der Demokratischen Republik Kongo steht die größte UN-Blauhelm-Mission der Welt und der Staat wäre ohne internationale Hilfe nicht funktionsfähig. Aber alle internationalen Partner starren scheinbar hilflos auf die verzwickte Situation. Dabei haben sie diese selbst geschaffen. Nach den massiv gefälschten Wahlen von 2011 wäre viel Zeit gewesen, sich um eine bessere Vorbereitung der Wahlen 2016 zu kümmern – aber es kümmerte sich niemand. Nun sind alle überrascht.

Diese späte Erkenntnis hilft jetzt allerdings auch nicht weiter. Weder eine überstürzt durchgezogene, chaotische Wahl noch ein endloser Amtsverbleib Joseph Kabilas würden dem Kongo Frieden bringen. Die einzige Möglichkeit, die Lage zu entschärfen, wäre, dass Kabila gemäß der Verfassung zum regulären Ende seiner Amtszeit im Dezember das Amt niederlegt und dann eine neutrale Allparteienregierung mit internationaler Hilfe richtige Neuwahlen vorbereitet.

Aber wer soll für so etwas sorgen – in einer Zeit, in der die internationale Politik von US-Wahlen, der anstehenden Wahl eines neuen UN-Generalsekretärs, der EU-Krise und dem Syrienkrieg samt Flüchtlingskrise gelähmt scheint? Der Kongo wird sich selbst überlassen, und der Stärkere wird sich durchsetzen. Und wenn das in den Bürgerkrieg führt, werden sich wieder alle fragen, wie das denn passieren konnte.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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10 Kommentare

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  • Lieber Jens, Ihr Optimismus in Ehren! Was ich grade sehe ist, dass es seit Tagen unmöglich ist, nach Kongo zu telefonieren und das Internet funktioniert auch nicht. Wir wissen also nicht, was dort jetzt vor sich geht.

    Ich hab den Eindruck, dass Kabila gewillt ist, sein Ding durchzuziehen und den Nurunzia zu machen, koste es was es wolle. Und es kostet das Blut der Kongolesen. Denn die liegen ihm nicht am Herzen, im Gegensatz zu seinen schwer reichen ausländischen Geschäftsfreunden. Allerdings ist es auch richtig, dass derzeit eh kein vernünftiger Kandidat in Sicht ist. Nur, die Menschen wollen einfach sehen, dass von Seiten der Regierenden der Wille zu Demokratie sichtbar wird. Und das ist eben nicht der Fall. Nach wie vor wird die Meinung des Volkes mit Füßen getreten. Dies schafft dieses Gefühl der vergeblichen Mühe, der Mensch kann sich anstrengen wie er will, er wird es nicht weiter schaffen, als mit Glück seinen täglichen Lebensunterhalt zu sichern. Und auch der ist niemals wirklich sicher. Deshalb haben so viele Menschen das Ziel Europa oder USA.

    • @mwanamke:

      3. /Fortstetzung

       

      Aber auch den Demonstranten müsste bewußt sein, daß Gewalt und Plünderungen ein falsches Demokratieverständnis darstellen. Kimbuta hat die Orte der Demonstrationen in Kinshasa bewußt festgelegt, um gegenseitige Aufstachelungen zu vermeiden. Die Überschreitung hat aus den Wutbürgern Haßbürger gemacht. Bei allem Verständnis für absolute Perspektivenlosigkeit, die ich häufig genug gesehen habe und diese umzukehren (m)eine Lebensaufgeabe ist, führt Gewalt nur zu Gegengewalt, nicht aber zu einer Lösung. Die Parteien sollten sich also gegenseitig ernst nehmen. Und nochmals meine These, auch wenn nicht gerne gehört: Ich hoffe nicht nur, sondern denke, daß Kabila dieses verstanden hat.

    • @mwanamke:

      2. /Fortsetzung

       

      Allerdings davon auszugehen, daß eine Oppositionsregierung mehr Demokratie in das Land bringen wird, ist - gelinde gesagt - optimistisch. Es würden lediglich die Interessen eines anderen Stammes vertreten, ohne dass Otto-Normal-Kongolese nachhaltige Änderungen spüren wird. Dementsprechend sollten sich die Parteien am runden Tisch bewusst sein, daß falsches Handeln der Beteiligten letztendlich - wie immer - zu Lasten derjenigen geht, die sowieso am unteren Rand der Gesellschaft leben. Man kann ein (wertvolles) Menschenleben nicht gegen Machbestrebungen aufrechnen. Die - so einfach vermeiddbar gewesenen - 37 Toten der vergangenen Woche sollten Mahnmal sein und sich nicht wiederholen müssen. Deren Tod ist auch ein Versagen der internationalen Gemeinschaft, die sehenden Auges solches zugelassen hat.Hoffen wir also, daß alle Beteiligten sich ihrer Verantwortung bewußt sind.

    • @mwanamke:

      Werte Mwanamke, der Hinweis auf Internet und Telefon verwundert mich ein wenig, da ich diese Probleme nicht habe. Ganz im Gegenteil habe ich vergangenen Dienstag über WhatsApp grauenvolle Bilder der Vorkommnisse erhalten und stehe über Internet und Telefon in ständigem Kontakt. Allerdings ist zu bemerken, daß die EU kongolesischen Staatsbürgern trotz Visum in den letzten Tagen die Einreise stark erschwert - in Brüssel ist es so gut wie unmöglich, "hineingelassen" zu werden - auch eine Art der Antwort.

  • Leider haben diese ihre Erkenntnisse offensichtlich nicht an ihren jeweiligen Dienstherren weitergeben - oder warum sonst hat der deutsche Außenminister, der 2015 feierlich eine neue Brunnenanlage im Kongo eingeweiht und humanitäre Hilfe versprochen hat, soweit ersichtlich erstmalig am Mittwoch erschrocken auf die Unruhen reagiert und für die Wahlen künftige Unterstützung zugesagt? An einem Tag, als der 19.09 schon abgeschlossen und damit definitiv sicher war, daß Wahlen in 2016 nicht mehr stattfinden können.

     

    Tatsächlich soll es ausländische Investoren geben, die neben ihrer eigenen Tasche Mitverantwortung sehen und diese auch zeigen. Auch im Kongo. Auch, wenn sie nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellen. Auch diese zarten Pflänzlein müssen wachsen. Solange allerdings der Staat nahezu insolvent und damit wirtschaftlich handlungsunfähig ist, der internationale Unternehmer neben seiner Leistung auch noch sein eigenes Geld mitbringen muss, erliegt mancher den Versuchungen des Kapitals. So medienwirksam seitens Kabila das Anti-Korruptions-Programm präsentiert wurde, so lächerlich wurde es umgesetzt. Ein Tiger ohne Zähne. Die Einführung der Mehrwertsteuer in 2011 hat nur unwesentlich für Einnahmen gesorgt. Andere Steuern? Welche Steuern fließen oder sollen dem Allgemeinwohl dienen? Gerade da wird eine Interimsregierung erste Signale setzen können und müssen.

  • Verehrter Mwanamke, auch die Pflanze Demokratie benötigt Zeit, um zu wachsen. Kabila, bis zur ersten Wahl in 2005 deutliche andere Machtstrukturen gewohnt, hatte offensichtlich bemerkt, dass nicht nur er, sondern das gesamte Gemeinwesen ohne eine solche keine Zukunft haben - bedeutet: Keine internationale Gelder mehr erhalten werden. Dabei dürfte unbestritten sein, daß es dem künftigen 40jährigen "Frührenter" an nichts mangelt oder mangelte. Alte Strukturen benötigen lange, um zu wechseln. Betrachten Sie die vielen wirtschaftlichen und politischen Fehlentscheidungen, die in seinen beiden Regierungszeiten getroffen wurden. Und trotzdem hatte das Pflänzchen Demokratie die Möglichkeit, zart zu wachsen. Auch wenn Teile der Opposition immer wieder behindert werden und weltweite politische und wirtschaftliche Interessengruppen immer ihre Finger auf eines der rohstoffreichsten Länder dieser Welt hielten und halten, wird es nicht nur Neuwahlen verfassungsrechtlich geben müssen, sondern tatsächlich geben - ich hoffe es inbrünstig. Das er sich diesem Druck der Verfassung - und der Demokratie - nicht widersetzten kann, hat Kabila inzwischen nicht nur gehört, sondern - zumnindest mein Eindruck, aber auch meine Hoffnung - auch verinnerlicht. Da hätte es internationaler Hilfe bedurft, um ihn und dem Pflänzchen Demokratie zu unterstützen. Dann wären 37 Menschen nicht gestorben.

     

    Anfang Februar 2016 gabe es - soweit mir Informationen vorliegen - bereits Krisengespräche zwischen den in Kinshasa ansässigen Botschaftern.

  • Kabila hat in den letzten beiden Wochen versucht, unter Beteiligung der Opposition eine Übergangsregierung zu bilden. Offensichtlich war der Zeitdruck zu groß, um kurz vor dem 19.09. noch eine Einigung zu finden. Spätestens seit Juni 2016 war sicher, daß Wahlen in 2016 nicht mehr stattfinden würden. Das Oberste Verfassungsgericht hat Kabila die Möglichkeit gegeben, auch ohne solche Gespräche bis zur regulären Wahl im Amt zu bleiben.

     

    Kabila stand unter Druck, in jedem Fall die Wahlen nicht stattfinden lassen zu können, hat der doch bislang keinen Nachfolger aufgebaut. Eine Verfassungsänderung - wie im benachbarten "Klein-Kongo" - kann er sich nicht leisten, weil er die Folgen - internationale Ausgrenzung - aus nächster Nähe beobachten konnte. Er ist also zweigleisig gefahren, um international das Gesicht zu wahren und gleichzeitig Leistungen der Entwicklungshilfe nicht zu gefährden.

     

    Dabei hat man ihn - obwohl für jeden ersichtlich - "im Regen" stehen lassen. Die Gewalt, die jetzt eskaliert, hätte durch Hilfe der Staatengemeinschaften vermieden werden können. Es wird also möglicherweise nur eine Frage der Zeit sein, wann das Militär nach Art. 64 der Verfassung RDC eingreift - mit nicht absehbaren Folgen. Will man den Kongo nach mühsamen Jahren (und Versuchen) der Demokratie wieder gänzlich zurückfallen lassen, um nach einiger Zeit und hunderttausenden Toten beim Punkt Null wieder mit einem Neuaufbau zu beginnen? Opfer ist die Bevölkerung des Landes, die bislang nur durch die Hoffnung auf Besserungen durchgehalten hat.

     

    Investitionen von außen oder auch Hilfe und Unterstützung von ausländischen Unternehmen oder Investoren wird so für viele Jahre abgeschnitten - und das in einem Land, in dem jedes dritte Kind das 10te Lebensjahr nicht erreicht.

     

    Die, die nicht sterben oder hungern wollen, werden versuchen, nach Europa zu flüchten. Wir schauen also weg und bauen uns selbst neue Probleme aus dem fernen und doch so nahen Afrika auf.

    • @Jens1000:

      1.

      Lieber Jens, Sie schreiben in Rätseln. Ich glaube, Kabila (und seine Regierung) hatte bereits 5 Jahre lang Zeit, diese Wahlen vorzubereiten, denn er wusste ja von Anfang an, dass er keine zweite Amtszeit hat. Und er hätte die Möglichkeit gehabt, anderen eine Chance zu geben, sich politisch zu profilieren. Aber das hat er nicht gemacht. Er hat Opposition in jeder nur erdenklichen Weise behindert, und höchsten einen gesprächsbereiten Eindruck gemacht, wenn allzu viel Druck von der internationalen Gemeinschaft kam. Ich weiß nicht wie Sie auf die Idee kommen zu behaupten, die Int. Gemeinschaft hätte Kabila "im Regen stehen lassen" immerhin haben ein internationale Eingreiftruppe und das robuste Mandat der UN vor einiger Zeit Kabilas Macht effektiv gestützt. Die Internationale Gemeinschaft hat bislang sehr eifrig mitgeholfen, die Opposition in der DR Kongo kaputt zu machen oder zumindest zu behindern.

      • @mwanamke:

        2. (Fortsetzung)

        Wo sehen Sie eigentlich Demokratie im Kongo (außer im Namen natürlich)?

        Und was meinen Sie mit "Investitionen von außen"...? Ich glaub, die gibt es schon, nur dass auch die entsprechenden Gewinne nach draußen getragen werden und die Menschen im Kongo nicht von diesen Investitionstätigkeiten profitieren. Dagegen gibt es sehr viele Kongolesen, im Land selbst und in der Diaspora, die sich gerne geschäftlich betätigen würden, aber aus politischen Gründen behindert werden. Es sind die Kongolesen selbst, die vernünftige Sicherheiten brauchen, außerdem Infrastruktur, Schulen und medizinische Versorgung. Das haben ausländische Investoren oft versprochen, aber nicht gehalten. Dafür sollte auch der Staat zuständig sein. Und dieser Staat könnte eine Menge leisten, wenn es einen vernünftigen Staatsapparat gäbe, Beamte mit vernünftige Entlohnung, die nicht mehr auf Korruption zum Lebensunterhalt angewiesen sind, und wenn die Steuern zum allgemeinen Wohl der Staatskasse zufließen würden und nicht an einzelne Machthaber, die sich nach Gutdünken bedienen. Natürlich spielen die Industriemächte hier ihr Spiel wie gehabt, vor allem aber, indem sie die Mächtigen eifrig an der Macht halten und mithelfen, Opposition zu behindern. Manchmal wäre es schon nötig, mehr auf die Kraft der Zivilgesellschaft zu vertrauen, die es im Kongo durchaus gibt.

        • @mwanamke:

          Und tatsächlich gibt es auch die Kongolesen, die sich tatsächlich wirtschaftlich betätigen und betätigen dürfen. Und ist es nicht tw. der andere Kongolese, der diesen behindert? Diebstahl, Plünderungen, Neid? Trotzdem bin ich, dessen perönliche Meinung unmaßgeblich ist, davon überzeugt, daß die Zivilgesellschaft im Kongo sich durchsetzen wird und das Pflänzchen Demokratie weiter wächst. Das wird nur gelingen, wenn die Zivilgesellschaft im Lande die notwendige internationale Unterstützung erfährt. Sicherlich nicht durch Eingriffe der UN-Truppen. Bleibt insoweit zu hoffen, daß die Andeutungen des französischen Außenministers nur spontane Reaktion ohne Folgen bleiben.

           

          Verehrter Mwanamke, wir gehen also durchaus pari.