Kommentar Krise der FDP: Die Ein-Mann-Partei
Seit ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl taumelt die FDP von Krise zu Krise. Mit der Stärkung ihres Frontmanns hat sich die Partei nur eine Pause verschafft.
Noch vor neun Monaten galt die FDP als Musterbeispiel politischer Werbung. Ihre Botschaft prägte sich selbst jenen Bürgern ein, die nichts von den Freidemokraten wissen wollten. Ihre Zielgruppe war klar umrissen und wurde mit einer einfachen Botschaft geködert: "Wir sind die einzige nicht sozialdemokratische Partei im Land."
Doch seit ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl taumelt die FDP von Krise zu Krise. Auch ihrer am Montag zu Ende gegangenen Krisenklausur wird kein tiefgreifender Wandel folgen. Verantwortlich hierfür ist die thematische und personelle Verengung aus Oppositionszeiten. Nun fehlt es an neuen Botschaften und Köpfen, die eine Öffnung der FDP überzeugend vertreten könnten.
Matthias Lohre ist Parlamentskorrespondent der taz.
Ausgerechnet der Hauptverantwortliche hierfür, Parteichef Guido Westerwelle, profitiert derzeit von der miserablen Lage der FDP. Weil kein Nachfolger für den omnipräsenten Frontmann bereitsteht, sah sich die Parteiführung genötigt, ihn demonstrativ zu stützen.
Damit hat sich die FDP nur eine Atempause verschafft. Spätestens im Herbst, wenn der Wahlkampf in ihrer Hochburg Baden-Württemberg einsetzt, müssen ihre Umfragewerte wieder bei 8 bis 10 Prozent liegen. Sonst wird die Nachfolgedebatte erneut aufflammen. Doch eine wahre Öffnung der Partei für Bildungsthemen, Umweltschutz und soziale Belange wird so oder so ausbleiben. Es fehlt der FDP eine ganze Generation, die sich hierfür kraftvoll einsetzen könnte. Auch dafür hat der schneidig wirtschaftsliberale Parteichef gesorgt. Zugleich fürchtet die FDP, sie könne den "sozialdemokratischen" Parteien bald allzu sehr ähneln und so ihre noch verbliebenen Wähler vergraulen. Die Krisen-Klausur hat kein Problem der Partei gelöst, sondern nur das Ausmaß ihres Dilemmas offenbart.
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