Kommentar Kriminalstatistik: Verordnete Parallelgesellschaft

Die Einbürgerung soll Integration fördern, indem sie den Staat zur Gleichbehandlung verpflichtet. Wer Unterschiede zwischen alten und neuen Deutschen machen will, gefährdet die Integration leichtfertig.

Wer eingebürgert wurde, ist Deutscher zweiter Klasse. Solche Signale bekommen Menschen, die früher eine andere Staatsangehörigkeit hatten, leider immer wieder. Jetzt wird sogar darüber diskutiert, Deutsche "mit Migrationshintergrund" in der Polizeilichen Kriminalstatistik besonders aufzulisten. Das ist ein gefährlicher Irrweg.

Natürlich ärgern sich Wissenschaftler, Polizisten und wohl auch viele Journalisten, dass die klassische Einteilung der Kriminalstatistik in deutsche und nichtdeutsche Tatverdächtige keinen großen Wert mehr hat. Was kann die Statistik über die Entwicklung der Gewaltkriminalität bei türkischstämmigen Jugendlichen sagen, wenn ein Drittel von ihnen einen deutschen Pass hat?

Aber statt die Eingebürgerten nun in eine statistische Parallelgesellschaft abzudrängen, wäre es sinnvoller, die Aufteilung zwischen deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen ganz aufzugeben, da sie eh obsolet geworden ist. Diese Unterscheidung hatte schon immer etwas Stigmatisierendes, und die Polizei musste, um politisch korrekt zu sein, stets ausführlich erklären, dass manche Taten nur von Ausländern begangen werden können und dass zur ausländischen Bevölkerung mehr junge, schlecht ausgebildete Männer gehören, die die Statistik verzerren.

Um Genaueres über den Zusammenhang von Integrationspolitik und Kriminalitätsentwicklung zu erfahren, sind vor allem wissenschaftliche Studien erforderlich. Kriminologische Studien können sich auch auf ausgewählte Städte und Regionen konzentrieren, flächendeckende Daten sind da nicht erforderlich.

Gerade Deutschland, das viel zu lange gebraucht hat, bis es die Einbürgerung der hier lebenden Migranten ermutigt hat, muss aufpassen, dass es mit Statistiken und offiziellen Äußerungen keine falschen Signale setzt. Die Einbürgerung soll Integration fördern, indem sie den Staat zur Gleichbehandlung verpflichtet. Wer sofort wieder Unterschiede zwischen alten und neuen Deutschen machen will, gefährdet Integration leichtfertig.

CHRISTIAN RATH

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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