Kommentar Kriminalstatistik: Schwarzmalerei nach Zahlen
Frankfurt hat ein Rotlichtviertel und eine harte Drogenszene. Ausschlaggebend für die hohe Kriminalität ist aber die Existenz von Flughafen und Banken.
F rankfurt ist in der Kriminalität, was München im Fußball ist – Rekordmeister. Jahr für Jahr präsentiert der Bundesinnenminister eine vom BKA erstellte deutschlandweite Kriminalstatistik, und Jahr für Jahr wird die Metropole am Main als „Hauptstadt des Verbrechens“ auf- und vorgeführt.
Nicht erst seit gestern, sondern allein in 22 der vergangenen 25 Jahre. Und auch diesmal steht sie wieder mit 16.310 erfassten Delikten (pro 100.000 Einwohner) an der Spitze, unangefochten von Düsseldorf oder Köln, die mit jeweils rund 2.000 Straftaten weniger auf Rang zwei und drei folgen. Berlin liegt abgeschlagen auf dem vierten Platz.
Tatsächlich ist eine grotesker verzerrte Statistik kaum denkbar. Abgesehen vom berüchtigten Rotlichtviertel und einer harten Drogenszene rund um den Hauptbahnhof beherbergt die Stadt mit dem Flughafen ein Drehkreuz mit jährlich mehr als 53 Millionen Passagieren – mitgezählt wird jeder Durchreisende, der dort gegen Einreisebestimmungen verstößt, den Artenschutz unterläuft oder sich ein Zollvergehen zuschulden kommen lässt.
Ähnliches gilt für die global auftretenden Geldinstitute vom Main – wenn irgendwo mit einer Kreditkarte betrogen wurde, wandert der Fall in Frankfurt in die Statistik. Auch eine restriktive Drogenpolitik trägt ihren Teil bei. Wer viel sucht, der viel findet, und auf der Zeil kann eben nicht so offen gekifft werden wie beispielsweise auf der Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg.
Hinzu kommen politische Bewegungen wie Blockupy, die als Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte ebenfalls statistisch erfasst werden. Wie „gefährlich“ diese Taten sind, mag jeder selbst ermessen. Wem also dienen solche absurden Erhebungen? Womöglich einem Politiker, der sich als Hardliner profilieren will. Der Wahrheitsfindung jedenfalls nicht.
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