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Kommentar KriegsverbrecherprozessEine Verhöhnung der Opfer

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der Internationale Strafgerichtshofs befindet, der Terrorfeldzug der FDLR sei kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Richter müssen zur Besinnung kommen.

G anze Dörfer ausradiert, hunderttausende Zivilisten vertrieben, Frauen bestialisch vergewaltigt: Der Terrorfeldzug der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) gegen Zivilisten in den von ihr kontrollierten Gebieten der Demokratischen Republik Kongo 2009 ist breit dokumentiert und belegt.

In Stuttgart stehen deswegen zwei FDLR-Führer vor Gericht, in Den Haag wurden in Vorbereitung eines Prozesses gegen einen dritten FDLR-Verantwortungsträger Dutzende Zeugenaussagen mit teils entsetzlichen Schilderungen zusammengetragen. Und nun befindet die zuständige Kammer des Internationalen Strafgerichtshofs, die geschilderten Taten seien keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Verfahren sei einzustellen.

Das ist eine Verhöhnung der Kriegsopfer, die teils unter hohem persönlichen Risiko traumatische Erfahrungen zu Protokoll gaben, welche nach dem Willen der beiden Richter aus Brasilien und Italien jetzt im Papierkorb landen sollen. Dass sich die Vorsitzende Richterin aus Botswana – eine afrikanische Frau – dagegen nicht durchsetzen konnte, wirft ein seltsames Licht auf die Kräfteverhältnisse in Den Haag. Und wenn der Strafgerichtshof Verbrechen von Milizen nicht ahnden kann, weil die Beweiserhebung schwierig ist, wozu ist ein solches Gericht dann überhaupt da?

Bild: taz
DOMINIC JOHNSON

ist Ko-Leiter des Auslandsressort der taz und für die Afrika-Berichterstattung zuständig.

Eine bis heute kämpfende Miliz vor Gericht zu stellen, ist keine Vergangenheitsbewältigung. Es ist Gegenwartsbewältigung. Die Täter sind weiter aktiv, ihre Opfer leben weiter in Angst, viele Tatorte sind unzugänglich, Ermittlungen sind schwieriger als bei der Untersuchung abgeschlossener Konflikte.

Das alles ist eine große Herausforderung. Aber genau deswegen wurde der Internationale Strafgerichtshof einst gegründet. Und genau deswegen wären die Auswirkungen einer Verfahrenseinstellung gegen die FDLR katastrophal. Den Haags Richter sollten sich auf ihren Auftrag besinnen und ihren unsinnigen Beschluss kassieren.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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2 Kommentare

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  • S
    suswe

    Hat der Internationale Strafgerichtshof Angst vor zuviel Arbeit?

  • H
    Hasso

    Anstatt Gerechtigkeit, ist das ein Verbrechen der Justiz an den Opfern. Es waren ja keine Angehörigen des Gerichtshofs unter den Opfern!