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Kommentar Kriegsverbrecherprozess in StuttgartWeltjustiz aus Deutschland

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Das laufende Verfahren in Stuttgart gegen zwei FDLR-Milizionäre ist juristisch neu für Deutschland. Es öffnet für Deutschland eine Tür zur Welt.

K riegsverbrecherprozesse erfordern einen langen Atem. Besonders, wenn die Kriege weit weg sind. Die deutsche Justiz ist das nicht gewohnt. Man merkt das am peniblen Vorgehen des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart im laufenden Verfahren gegen zwei in Deutschland lebende Ruander, die eine Miliz im Kongo führen. Im Kongo gibt es kaum juristische Strukturen, die Arbeit mit Zeugen und Opfern kann für diese lebensgefährlich sein, und die Täter führen während des Prozesses weiter Krieg. All das sieht die deutsche Strafprozessordnung nicht vor.

Der Stuttgarter FDLR-Prozess öffnet in Deutschland eine Tür zur Weltjustiz – und zugleich zeigt die geöffnete Tür, wie weit der Weg noch ist. Die Globalisierung des Rechts ist längst im Gange. Es mangelt nicht an grenzüberschreitenden Normen, weltweiten Zuständigkeiten, internationalen Gerichten. Die Globalisierung der Justiz aber, also die praktische Umsetzung des globalisierten Rechts, steht noch ganz am Anfang.

Nationale Souveränität ist im Justizwesen zumeist noch absolut, grenzüberschreitende Arbeit bleibt die Ausnahme und in der Praxis mit hohen Hürden behaftet. Im FDLR-Prozess mag das dank der Nichtexistenz einer funktionierenden kongolesischen Justiz weniger auffallen, aber die Umstände der Ermittlungen vor Ort und der Umgang mit Zeugen vor Gericht werfen immer wieder legitime Fragen auf.

taz-Dossier

Die taz zieht eine Zwischenbilanz des laufenden Stuttgarter Kriegsverbrecherprozesses gegen die beiden FDLR-Milizenführer in Stuttgart und ordnet das Prozessgeschehen ein. Eine Prozessreportage aus Stuttgart; eine Reportage aus dem FDLR-Gebiet im Kongo; eine Analyse der Arbeit der Bundesanwaltschaft weltweit; ein Hintergrund zu Kriegsverbrecherermittlungen im Kongo.

Das taz-Dossier, am Montag 20. August auf sechs Sonderseiten in der taz.

Sollte einmal die deutsche Bundesanwaltschaft Kriegsverbrecher aus Syrien oder Verantwortliche für US-Drohnenangriffe in Pakistan anklagen wollen, dürfte das auf ganz andere Weise problematisch werden.

Der FDLR-Prozess lässt das Ausmaß der noch unbewältigten Herausforderungen im globalen Kampf gegen Straflosigkeit erahnen. Für die taz ist er noch aus einem besonderen Grund wichtig. Wir widmen seit dem Völkermord in Ruanda den mörderischen Konflikten im Afrika der Großen Seen besondere Aufmerksamkeit, und taz-Recherchen haben dazu beigetragen, das Augenmerk einer breiteren Öffentlichkeit auf das unselige Wirken der FDLR-Führung in Deutschland zu lenken.

Dieselbe Aufmerksamkeit verdient auch der weitere Verlauf des FDLR-Prozesses. Er hat Signalwirkung nicht nur für die globalisierte Justiz und nicht nur für Deutschland. In Kongos Kriegsgebieten, nicht hier, stehen Menschenleben auf dem Spiel. Ihr Schutz ist das höchste Gut.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • N
    Nahum

    Die deutsche Justiz soll sich nicht überheben.

    Es gibt genug innerhalb Deutschlands zu tun. Vor allem, daß die GesinnungsJustiz Oberwasser bekommt, ist dem deutschen Justizwesen nicht förderlich.

    Solange die Richter nicht gewählt werden, sondern

    laut Artikel 94 und 95 GG ausgekungelt werden, besteht keine Gewaltenteilung Legislative, Exekutive und Jurikative.

  • C
    Chrischan74

    "Weltjustiz aus Deutschland"?

    Der Letzte, der sich das gewünscht hat, war ein österreichischer Migrant. Wenn auch die politische Ausrichtung des Österreichers und des hier schreibenden Journalisten naturgemäß auseinandergehen, so bleibt die Stoßrichtung eines derartigen Wunsches die gleiche.

    Chapeau, Herr Johnson. Mit ihren "Fähigkeiten" haben Sie den Beruf des Journalisten noch weiter diskreditiert.

  • M
    mehrdad

    sollte deutschland tatsächlich eines tages einen amerikanischen soldaten, der al- quaida terroristen töätet, oder einen israelischen soldaten, der frauen und kinder vor den islamischen terroristen, die selbst 3 monate alten babys im schlaf die kehle durchschneiden, verklagen, wünsche ich viel spass.

     

    dann wird sich zeigen, dass deutscher grössenwahn kontraproduktiv ist. sei es von nationale oder internationale sozialisten.

  • BS
    Bissiges Schaf

    Lustig wird es, wenn plötzlich Gitmo nach VStGB Auslieferungsanträge stellt bzw. Verurteilungen in Deutschland für Terrorverdächtige fordert.

     

    Jubelt die taz dann auch noch über die "tolle neue Weltjustiz"?

  • AS
    Andreas Suttor

    Offensichtlich bleibt dem Autor eine gehörige Portion Rechtssystematik verborgen. Mitnichten wird durch den derzeitigen Kriegsverbrecherprozeß oder auch die Ermittlungen im Fall des Drohnenangriffs in Waziristan eine neue Qualität von deutscher Justiz erreicht. Die Grundlage für diese Vorgänge - das Völkerstrafgesetzbuch - ist ein Bundesgesetz, das im Jahr 2002 in Kraft getreten ist. Und die Kriterien sind ganz klar: es wird dann wegen Verbrechen im Sinne des VStGB angeklagt und Recht gesprochen, wenn weltweit deutsche Staatsbürger betroffen sind (siehe Drohnenangriff in Waziristan) oder aber wenn Täter oder Opfer sich in Deutschland befinden (siehe laufender Prozeß). Vollkommen klare Sache - viel interessanter und auch spannender ist der Fall des Prozesses in Hamburg nach § 105 SRÜ, denn dabei stellt sich in der Tat die Frage der Zuständigkeit. Die ist im geschilderten Fall völlig eindeutig - und zwar seit 2002.