piwik no script img

Kommentar KriegseinsätzeGlasklar für die Demokratie

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Urteil des Verfassungsgerichts beendet die Debatte von der Union über einen Nationalen Sicherheitsrat. Künftig wird niemand wagen, Kriegseinsätze am Bundestag vorbeizubugsieren.

Bild: privat

CHRISTIAN RATH ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Wenn deutsche Militärflugzeuge in die Nähe eines Kriegsschauplatzes geschickt werden, ist dafür die Zustimmung des Bundestags erforderlich. Das stellte gestern das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil klar. Und schlägt damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.

So interveniert das Urteil mit ungeplanter Präzision in eine Debatte, die die CDU/CSU gerade vom Zaun gebrochen hat. An kurzfristigen Einsätzen von Nato-Eingreiftruppen, so forderten Unions-Experten, soll sich die Bundeswehr auch ohne vorherigen Parlamentsbeschluss beteiligen dürfen. Diesem Vorstoß hat Karlsruhe nun eine erfreulich deutliche Absage erteilt. Es sei schließlich der Sinn des Parlamentsvorbehalts, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern - insbesondere bei gemeinsamen Aktionen der Nato. Die Debatte ist damit wohl zu Ende, kaum dass sie begonnen hat.

Gleichzeitig erhielt die alte rot-grüne Bundesregierung zu Recht einen Rüffel. 2004 hatte sie die abwegige Ausrede vertreten, beim Türkei-Einsatz der Awacs-Flugzeuge habe es sich um einen bloßen "Routineeinsatz" gehandelt. Dass die Schröder-Regierung damit nicht durchkommt, war abzusehen. Immerhin hatte die Türkei damals zum ersten Mal in der Nato-Geschichte die Partner offiziell um Konsultationen gebeten, in deren Folge dann der Awacs-Einsatz beschlossen wurde. Die Verstrickung deutscher Soldaten in einen Krieg hing nur noch davon ab, ob der damalige irakische Diktator Saddam Hussein die Türkei nun angreift oder nicht. Einen solchen Einsatz ohne den Bundestag zu beschließen war ein so durchsichtiges wie undemokratisches Manöver.

Auswirkungen auf derzeit laufende Bundeswehreinsätze hat das Urteil übrigens nicht. Die Missionen in Afghanistan oder im Kosovo verfügen schließlich alle über ein Bundestagsmandat. Auch das unter Rot-Grün geschaffene Parlamentsbeteiligungsgesetz muss jetzt höchstens leicht nachgebessert werden.

Trotzdem zeitigt das glasklare Urteil einen wichtigen Effekt: Es verändert das Klima. In Zukunft dürfte es nun niemand mehr wagen, Einsatzentscheidungen von dieser Tragweite am Parlament vorbeizubugsieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • MN
    Matthias Nass

    Hat sich mal jemand den Kommentar auf Welt online von Hans Zippert angeschaut .... Mir stehen immer noch die Haare zu Berge...

  • PG
    Peter G.

    Andere Möglichkeit wäre, die Regierung schafft es das BvG so zurechtzubiegen dass es weniger lästig ist. Außergewöhnliche Bedrohungssituation, Notstandsgesetz, Ausnahmezustand oder dergleichen.

    Wie man das macht, kann man die USA fragen.

    Ich hoffe nicht dass ich richtig liege, wundern würde ich mich aber nicht.