Kommentar Krankenhausfusion: Kleiner Anteil, großer Einfluss
Dass die katholische Seite mit ihrer Minderheitsbeteiligung über die Ausrichtung der Klinik entscheidet, ist ein Irrwitz.
H ätte das katholische Krankenhaus St. Willehad in Wilhelmshaven seine Mittel immer so effizient eingesetzt – es stünde jetzt wohl kaum vor einer Fusion mit einer städtischen Klinik: Bei nicht einmal 30 Prozent würde der Anteil der Katholiken an einem künftigen neuen Klinikum liegen. Dennoch wollen sie bestimmen, dass das neue Klinikum keine Abtreibungen ohne medizinische Indikation durchführt – ein Irrwitz.
Nicht witzig ist das Ergebnis dieser katholischen „Werte“-Expansion für die Menschen in einer Stadt mit nur zwölf Prozent Katholiken: Für Frauen, die bei diesem schweren Eingriff auf die Sicherheit einer stationären Behandlung Wert legen oder gar unter Komplikationen leiden, würde eine riesige medizinische Versorgungslücke gerissen.
Viele können nicht in die nächste Klinik fahren, weil ihnen das Geld fehlt. Abtreibungen sind seit Hartz IV verstärkt ein Armutsphänomen geworden, weil Sozialämter keine Verhütungsmittel mehr bezahlen. Im armen Wilhelmshaven ist das ein echter Faktor.
Die katholische Kirche, die ihre Dogmen mal wieder über alle lebenspraktischen Fragen stellt, treibt ihren Zynismus auf die Spitze, wenn sie gleichzeitig medizinisch indizierten Abbrüchen zustimmt. Gemeint sind damit vor allem Schwangerschaften, bei denen das Risiko einer Behinderung groß ist. Nach dem Motto: Selbstbestimmung der Frauen – nein; Ausmerzung „lebensunwerten“ Lebens – ja.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann