Kommentar Kosovo: Scheinbar ruhig

Bewaffnete Konflikte sind möglich. Doch letztlich werden die Serben sich mit der Unabhängigkeit des Kosovo abfinden müssen.

Wahrscheinlich geht die Strategie von USA und EU auf: Indem alle Politiker und Militärs mögliche Gefahrenszenarien herunterspielten, scheint die Lage tatsächlich ruhiger. Die Albaner sind zufrieden, seit klar ist, dass Kosovo in seinen Grenzen unabhängig werden soll. Und die Serben im Kosovo haben ihre Drohung fallen lassen, sich selbst vom Kosovo unabhängig zu erklären, und beschränken sich darauf, alle Institutionen des neuen Staates sowie die EU-Mission zu boykottieren.

Natürlich sind bewaffnete Zwischenfälle möglich. Nicht nur für radikale, nationalistische Serben ist die Unabhängigkeit des Kosovo unfassbar und muss verhindert werden. Aber wie? Wollen sich die Mitglieder der Zar-Lazar-Freischärler und andere radikale Gruppen gegen die Militärmaschinerie der Nato stellen und einen aussichtslosen Kampf beginnen? An der politischen Entscheidung in Brüssel und Washington wird auch individueller Terror nichts mehr ändern.

Die serbische Armee selbst hat abgewunken. Sie will mit der KFOR kooperieren. Und Russland kann, auch, wenn es dies wirklich wollte, keine Truppen nach Serbien bewegen, wie von dem radikalen Politiker Nikolic gefordert, weil Serbien nach Osten hin von Nato-Staaten umgeben ist. Auf diplomatischer Ebene jedoch hat Serbien noch nicht ganz aufgesteckt.

Die Vereinten Nationen, deren Vorschlag für die Lösung des Kosovokonfliktes, der Ahtisaari-Plan einer begrenzten Souveränität, nun umgesetzt wird, können angesichts des Vetorechtes der Russen im Weltsicherheitsrat keine klare Position entwickeln. Das schafft Unsicherheiten und gibt Raum für erbitterte Diskussionen über das Völkerrecht. Serbien hat schon angekündigt, vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu ziehen und die Kosovoentscheidung anzufechten. Dieses Recht hat es.

Letztlich wird Serbien sich mit der Entscheidung abfinden und sich anstrengen müssen, selbst EU-Mitglied zu werden. Doch gerade dies ist strittig. Der politische Konflikt wird in Belgrad zwischen Proeuropäern und Nationalisten selbst ausgetragen werden müssen.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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