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Kommentar KosovoZeichen des Aufbruchs

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Die neue Frau an der Spitze beweist: Alte und muslimisch geprägte Frauenbilder sind von der herrschenden politischen Klasse des Kosovos längst über Bord geworfen worden.

A uch wenn es nicht stimmen sollte, dass der US-Botschafter bei einem Treffen mit den Parteiführern des Landes einen Umschlag hervorzauberte, um dann den Namen der künftigen Präsidentin zu verkünden, die Geschichte hat ihren Charme.

Sie verweist auf den ungebrochenen Einfluss der USA im Kosovo. Und auch darauf, dass mit der Polizistin Atifete Jahjaga eine Frau Präsidentin wird, die mit der Nato-Intervention 1999 ihre Berufsausbildung erfahren hat und die als Frau in der von internationalen Institutionen geförderten Kosovo-Polizei bis zur Generalin aufsteigen konnte. Jahjaga könnte als Produkt der westlichen Intervention in dieser doch recht konservativen Gesellschaft angesehen werden.

Aber so einfach ist das natürlich nicht. Frauen haben schon in der Kosova-Befreiungsarmee gekämpft, wie die ehemalige Vizeaußenministerin. Man kann Ministerpräsident Thaci und den Seinen nachsagen, was man will: dass sie alten und muslimisch geprägten Frauenbildern anhängen, aber nicht. Junge Frauen haben die Universitäten erobert, im Ausland ausgebildete Professorinnen besetzen zunehmend den Lehrkörper. Die traditionelle Männergesellschaft Kosovos wird durcheinandergewirbelt.

Bild: taz

ERICH RATHFELDER ist Korrespondent der taz für das ehemalige Jugoslawien. Er lebt und arbeitet im kroatischen Split.

Zu einem sich bildenden neuen Selbstverständnis in der Gesellschaft gehört auch das Verhalten des Verfassungsgerichts. Dieses hat den erst am 22. Februar gewählten Präsidenten Pacolli abgesetzt. Der Vorgang ist umso bemerkenswerter, als es sich bei Pacolli um den reichsten Albaner handelt, der seine Milliarden als Bauunternehmer in der Schweiz und im Russlandgeschäft gemacht hat.

Man kann also im Kosovo das Präsidentenamt nicht kaufen. Das ist gut so und schafft für das vor allem von serbischer Seite mit Korruptionsvorwürfen überschüttete Land Sympathie und Respekt.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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2 Kommentare

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  • O
    OwnOpinion

    @MazBln. ... und ich frage mich, wieso Sie und wahrscheinlich viele andere nicht verstehen, dass es auf dem Balkan und eben auch auf in Kosovo auch eine andere Realität gibt. Das westliche Bild über den Balkan als aggressive, unzivilisierte und rückständige Gesellschaft ist so starr, dass keine andere Realität durchdringen kann. Und wenn im Kosovo eine Frau zur Präsidentin gewählt wird, dann ist es ein beispielloser Erfolg (egal unter welchen Umständen sie gewählt wurde). DIeser Realität scheinen Sie nicht zu trauen, weil Sie so eingeent sind in Ihrem Blick, dass kein Raum für Erfolg bleiben darf. WÜrden SIe sich denn lieber über eine Meldung über erneute Konflikte freuen? Ich hoffe nicht. DAvon gibt es leider genug. Aber die Welt ist nicht aufgeteilt in zivilisiert und unzivilisiert. Aber scheinbar braucht diese Gesellschaft so eine fiktive AUfteilung um sich besser zu fühlen. Wie traurig, dass so gedacht wird. Denken Sie auch so?

  • M
    Mazbln

    Manchmal frage ich mich ja, wann Erich Rathfelder den Steffen Seibert macht und Regierungssprecher im Kosovo wird. Er liefert ja fast wöchentlich entsprechende Bewerbungsschreiben in der taz ab. Dieser hier gehört da ganz sicher dazu. Es ist schon bedauerlich, dass ich mich mittlerweile von der FAZ über die Vorgänge in Ex-Jugoslawien besser informiert fühle als von der taz. Einziger Lichtblick sind da die Beiträge von Andrej Ivanji.