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Kommentar KonsumSich die Welt schönkaufen

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Weil Ressourcen- und Klimakrise keine individuellen Probleme sind, kann das Individuum sie nicht lösen.

Erstens: Die Menschheit lebt auf zu großem Fuß. Zweitens: Die USA sind in dieser Hinsicht noch schlimmer als die Europäer. Drittens: Wenn es so weitergeht, geht es nicht mehr lange. So weit hat der Bericht "Zur Lage der Welt 2010" des Worldwatch-Instituts, der gestern vorgestellt wurde, wenig Neues zu bieten.

Germanwatch und Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichen diesen Lagebericht des Worldwatch-Institutes auf Deutsch, so geht das nun schon seit Jahren. Neu ist im Jahr 2010 der Lösungsansatz: Der Verbraucher soll es richten. Natürlich muss die Politik den richtigen Rahmen stellen. Aber der Verbraucher ist ja auch Wähler und Ökostrom die Alternative, so die Logik.

Bild: taz

Nick Reimer ist Redakteur im Ressort Ökologie und Wirtschaft.

Um die Lage der Welt steht es also ziemlich übel. Weder fällt den Vordenkern und Thinktanks zur Rettung der Welt etwas Neues ein noch scheinen sie bereit, in neue Richtungen zu denken. Eben weil Ressourcen- und Klimakrise keine individuellen Probleme sind, kann das Individuum sie nicht lösen. Sich die kapitalistische Welt schönzukaufen, wie es ökologisch korrekte Konsumfans seit Jahrzehnten propagieren, hat bislang noch nicht einmal dazu geführt, wenigstens das Tempo der Selbstzerstörung zu drosseln. Und Leute, die mit atmosfair nach Amerika jetten, sind keine besseren Konsumenten - sie kaufen sich bloß ein gutes Gewissen.

Solange nur innerhalb des kapitalistischen Systems nach einer Lösung dieser Menschheitsfragen gesucht wird, wird sich keine Lösung finden. Denn dieses System gründet auf Wachstum, das wir uns eigentlich nicht mehr leisten können. Außerdem werden die Umweltkosten nicht einkalkuliert: Die kapitalistische Wirtschaftswissenschaft definiert das Wasser der Flüsse oder die Luft als "öffentliche Güter", die niemand besitzt. Ergo haben sie keinen Preis und können von jedem uneingeschränkt genutzt werden. Längst hat die Ressourcen- und Klimakrise diese Idee als Irrwitz offenbart. Was fehlt, ist ein System, um den Fehler zu korrigieren.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.

2 Kommentare

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  • F
    Feyngeiss

    Jawohl. Eins rauf mit Mappe für Herrn Reimer.

     

    Ebenfalls auf utopia.de veröffentlichte der Vizekönig dieser Zeitung einige Texte zu seinem eigenen Konsumverhalten und schlechten Gewissen, die genau die problematische Haltung aufzeigen, gegen die Herr Reimer hier anschreibt. Das Denkverbot gegen politisch inkorrekte Lösungsansätze scheint jedoch auch zu verhindern, dass Herr Unfried über eine hedonistische Larmoyanz hinaus nach möglichen Auswegen aus seinen moralischen Dilemmata und Paradoxa sucht.

     

    Leider fehlt in Reimers Curriculum eine wesentliche Botschaft: Die Menschheit lebt nicht auf zu großem Fuß, sondern zu groß. Ein "richtiges" Maß für die (Be- oder Aus)Nutzung der Welt kann niemand angeben. Jeder einzelne wird, bestimmt durch ein Verhaltensrepertoire, das über Jahrmillionen erfolgreich war, immer weiter nach Maximierung des persönlichen Wohlergehens streben. Eine natürliche Grenze dieses gewollten Wachstums gibt es nicht, wer mehr hat, fühlt sich besser als der Nachbar.

    Das muss man akzeptieren als menschliche Eigenart. Daher kann die Lösung nicht in der - durch welche Maßnahmen oder Wirtschaftsformen auch immer erzielten - Reduktion von (Um)Weltkonsum liegen, sondern nur in der Reduktion der Konsumenten.

    Oder Wie Kurt Vonnegut es ausdrückt: Stop reproducing!

  • J
    Jannis

    Vor ein paar Tage habe ich einen Vorabdruck des Berichts auf Utopia.de gelesen (http://www.utopia.de/magazin/michael-maniates-nachhaltiges-verhalten-steuerbar-bericht-lage-der-welt-2010-konsum-choice-editing). Darin geht es genau darum, dass die Konsumentenentscheidungen nicht für einen nachhaltigen Umbau der Gesellschaft ausreichen. Wenn ich diesen Kommentar lese, scheint es als wenn Nick Reimer den Bericht nicht gelesen hat. Gruß!