Kommentar Kommunalwahlen Frankreich: Kein Pardon
Denkzettel für Hollande, Zugewinne bei dem rechten Front National: Frankreichs Wähler strafen gerne ab. Damit reiten sie sich jedoch selbst in die Malaise.
F ür ihre Wahlniederlagen haben Politiker immer gute Ausreden, für eine richtige Schlappe suchen sie nach tröstlichen Worten. Schuld an der Enttäuschung ist natürlich: die Krise. Verantwortlich für die politische Misere sind die Vorgänger. Die französischen Sozialisten wussten im Voraus, dass sie bei den Kommunalwahlen einen Rückschlag zu erwarten hatten.
Die Euphorie nach dem Wahlsieg von François Hollande ist längst verpufft. Der Enthusiasmus hat einer Ernüchterung Platz gemacht. Viele von den Wählerinnen und Wählern, die 2012 noch Nicolas Sarkozy absetzten und eine rot-grüne Koalition an die Macht zu hievten, blieben am Sonntag frustriert und zum Teil offen murrend zu Hause. Zu kritisieren gibt es genug. Und darin, das wissen die Franzosen, sind sie Meister.
Am Montag aber wachten sie mit einer Katerstimmung auf. In 15 Städten liegen die Front-National-Listen in Führung. „Die sind ja nicht ganz bei Trost“, rufen sie nun angesichts des unverhofft starken Vormarschs der extremen Rechten schockiert über ihre Mitbürger aus. Daran sind jedoch auch sie oft selber schuld. Die verhältnismäßig geringe Beteiligung (immerhin etwas mehr als 60%) ist keine Entschuldigung, sondern Teil der Analyse eines Unbehagens im Land, das zu einem ernsthaften Problem wird.
Denn während ehemalige Sympathisanten der Sozialisten, Kommunisten und Grünen an der mangelnden Entschlossenheit und Klarheit der linken Staatsführung verzagen und sich der Stimme enthalten, gehen die auf Revanche sinnenden Anhänger der Konservativen und vor allem die Verzweifelten, die ihr Heil bei den Rechtspopulisten suchen, diszipliniert an die Wahlurne. Sie sagen zu ihrer eigenen Rechtfertigung, schlimmer könne es nicht mehr kommen. Was ein schwerer Irrtum ist.
Hollande hat wie erwartet eine (gebührenfreie) Warnung erhalten. Büßen werden andere. Wer der extremen Rechten mit dem Wahlzettel eine Legitimität erteilt, darf sich danach nicht wundern, wenn Neid und Rassismus noch mehr Zwietracht säen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss