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Kommentar Kommunalwahlen FrankreichKein Pardon

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Denkzettel für Hollande, Zugewinne bei dem rechten Front National: Frankreichs Wähler strafen gerne ab. Damit reiten sie sich jedoch selbst in die Malaise.

Frankreich, Wahllokal: Die Rechte greift zu. Bild: dpa

F ür ihre Wahlniederlagen haben Politiker immer gute Ausreden, für eine richtige Schlappe suchen sie nach tröstlichen Worten. Schuld an der Enttäuschung ist natürlich: die Krise. Verantwortlich für die politische Misere sind die Vorgänger. Die französischen Sozialisten wussten im Voraus, dass sie bei den Kommunalwahlen einen Rückschlag zu erwarten hatten.

Die Euphorie nach dem Wahlsieg von François Hollande ist längst verpufft. Der Enthusiasmus hat einer Ernüchterung Platz gemacht. Viele von den Wählerinnen und Wählern, die 2012 noch Nicolas Sarkozy absetzten und eine rot-grüne Koalition an die Macht zu hievten, blieben am Sonntag frustriert und zum Teil offen murrend zu Hause. Zu kritisieren gibt es genug. Und darin, das wissen die Franzosen, sind sie Meister.

Am Montag aber wachten sie mit einer Katerstimmung auf. In 15 Städten liegen die Front-National-Listen in Führung. „Die sind ja nicht ganz bei Trost“, rufen sie nun angesichts des unverhofft starken Vormarschs der extremen Rechten schockiert über ihre Mitbürger aus. Daran sind jedoch auch sie oft selber schuld. Die verhältnismäßig geringe Beteiligung (immerhin etwas mehr als 60%) ist keine Entschuldigung, sondern Teil der Analyse eines Unbehagens im Land, das zu einem ernsthaften Problem wird.

Denn während ehemalige Sympathisanten der Sozialisten, Kommunisten und Grünen an der mangelnden Entschlossenheit und Klarheit der linken Staatsführung verzagen und sich der Stimme enthalten, gehen die auf Revanche sinnenden Anhänger der Konservativen und vor allem die Verzweifelten, die ihr Heil bei den Rechtspopulisten suchen, diszipliniert an die Wahlurne. Sie sagen zu ihrer eigenen Rechtfertigung, schlimmer könne es nicht mehr kommen. Was ein schwerer Irrtum ist.

Hollande hat wie erwartet eine (gebührenfreie) Warnung erhalten. Büßen werden andere. Wer der extremen Rechten mit dem Wahlzettel eine Legitimität erteilt, darf sich danach nicht wundern, wenn Neid und Rassismus noch mehr Zwietracht säen.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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3 Kommentare

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  • Hollande kann neoliberal so gut wie Sarkozy.

    Hollande kann militaristisch so gut wie Sarkoizy.

     

    Aber dafür hatte ihn keiner gewählt.

  • Was das linke Spektrum nicht versteht, ist, dass moralisch, ideologische Volkserziehung noch nie funktioniert hat, aber genau das wird mittlerweile europaweit versucht. Man ist der Meinung aufgeklärter, intelligenter und moralisch wertvoller zu sein als die Konservativen und verärgert damit zunehmend große Bevölkerungsteile, die es einfach satt haben politisch korrekt bevormundet zu werden. Den Rechten wird damit in die Karten gespielt.

    • D
      D.J.
      @Matthias D.:

      Die Linke verliert derzeit in vielen Teilen Europas die Definitionshoheit. Ob mich das freut? Nein, gewiss nicht. Ohne eine halbwegs (!) starke Linke auch keine liberale Gesellschaft - davon bin ich überzeugt. Ich denke aber, mit etwas weniger moralischer und sonstiger Überheblichkeit, wie sie bei Teilen (!) der Linken anzutreffen ist, klappt's auch wieder mit den Wählern. Zumal der harte Kern an Rechtsextremen in F meines Erachtens auch nicht größer ist als in D.