Kommentar Kolumbien: Kein Krieg am Ende der Welt
Chávez tut derzeit alles, um linkes Abziehbild der Krisenregierung Uribes zu werden: Die Region hätte wahrlich andere Führungsfiguren verdient.
N ein, es wird keinen Krieg in Südamerika geben. Zwar wird Kolumbiens Armee seit vielen Jahren von den USA hochgerüstet. Zwar hat Venezuelas Regierung seit einigen Jahren ebenfalls Millionen Dollar für Waffenkäufe ausgegeben. Dennoch: So gern die Regierungen Kolumbiens, Ecuadors und Venezuelas ihre internen Spannungen und Widersprüche nach außen ableiten, so wenig Interesse haben sie an einer militärischen Eskalation.
Bernd Pickert ist Auslandsredakteur der taz.
Tragisch sind die Ereignisse der letzten Tage dennoch. Denn sie nutzen nur jenen Kräften in Kolumbien, die jede Form der Entspannung fürchten. Solche Kräfte gibt es viel zu viele: Sie bestimmen die Politik der Regierung, der Militärs, der Paramilitärs - und der Guerilla. Sie alle sind an einer politischen Lösung der kolumbianischen Krise nicht interessiert.
Legt man normale demokratische Maßstäbe an, hätte die Regierung des rechten Präsidenten Álvaro Uribe die letzten zwölf Monate politisch nicht überleben dürfen - nicht, nachdem die tiefgreifenden Verzahnungen jener Mörderbanden der rechten Paramilitärs mit dessen Regierung, Partei und Fraktion öffentlich wurden. Stattdessen steht der Präsident jetzt innenpolitisch stärker da denn je.
Venezuelas Präsident Hugo Chávez hätte alle Chancen gehabt, Uribe bis auf die Knochen zu blamieren: mit einer maßvollen Reaktion auf den kolumbianischen Angriff vom Wochenende, einer geheimen Übereinkunft mit der Farc-Guerilla, ungeachtet des Angriffs weitere langjährige Geiseln freizulassen, gekrönt vielleicht von Bildern einer glücklich befreiten Ingrid Betancourt, die sich bei Chávez für sein Engagement bedankt - damit hätte er den Hardliner Uribe und seine US-Unterstützer so richtig schlecht aussehen lassen.
Stattdessen verlegte Chávez sich auf Krakeelen und Füßestampfen. So kann nur reagieren, wer ebenfalls an einer Veränderung des Status quo wenig Interesse hat. Álvaro Uribes Regierung ist der Dauerskandal in der Region. Doch Chávez tut alles, um sich als dessen linkes Abziehbild zu gerieren. Die Region hätte andere Führungsfiguren verdient.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los