Kommentar Kolpingwerk: Gefährliche Teilnahmslosigkeit
Wenn aus dem Fall Kolpingwerk folgt, dass Aufklärung den Job kostet, dann werden weiter Entwicklungsgelder verschwendet und mutige Menschen mundtot gemacht.
E s wird immer absurder. Erst wird dem Kolpingwerk in Paraguay Korruption in Millionenhöhe vorgeworfen. Dann entlässt das Werk plötzlich die Frau, die den Fall an die Öffentlichkeit brachte und sich seit einem Jahr bemüht, ihn aufzuklären. Und das Entwicklungsministerium, um dessen Gelder es geht? Es schweigt. Das Haus will sich zu den Vorfällen erst äußern, wenn eigene Untersuchungen abgeschlossen sind. Also Nichtstun bis Oktober.
Natürlich, wir befinden uns in einem laufenden Verfahren, Vorverurteilungen müssen vermieden werden. Zudem sorgt sich das Ministerium nicht zu Unrecht darum, dass allein die Rede von Korruption die Entwicklungsarbeit allgemein diskreditieren könnte. Dabei verliert das Ministerium den Blick für die Situation vor Ort. Dort wird hinter seinem Rücken in Büros eingebrochen, Dokumente werden gestohlen, Beweise vernichtet. Es werden Fakten geschaffen - und die Politiker in Deutschland schauen zu.
Dies hätte das Ministerium verhindern müssen. Dazu hätte es auch Möglichkeiten gehabt: etwa indem es das Projekt während der Untersuchung selbst verwaltet und nicht vor Ort anarchischen Umständen überlässt. So hätte es wirklich und nicht nur scheinbar die sachgemäße Aufklärung gewährleistet.
Der für Minister Dirk Niebel so wichtigen Effektivität deutscher Entwicklungshilfe schadet der Fall ohnehin. Überall in der Welt sitzen deutsche Entwicklungshelfer, und wie in allen Organisations- und Wirtschaftsbereichen gibt es auch in ihrer Branche vielerorts Dinge, die transparent gemacht werden müssen.
Wenn aber die Lehre, die aus dem Fall Kolpingwerk zu ziehen ist, lautet, dass Aufklärungsbemühungen die berufliche Existenz vernichten, dann werden weiter Gelder verschwendet und mutige Menschen mundtot gemacht. Ein trauriges Ergebnis. An dem die deutsche Politik Mitschuld hat.
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