Kommentar Kohlekraftwerk Datteln: Arroganz gegenüber dem Recht
Wie will man fortan die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Gesetzen sicherstellen, wenn diese für einen Großkonzern mal eben nachträglich zurechtgebogen werden?
D ie Pläne der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sagen viel über deren Demokratieverständnis aus. Umweltgesetze macht man alleine aus Imagegründen, keinesfalls dürfen sie wirksam werden. Passiert es trotzdem, dass ein Umweltgesetz plötzlich Wirkung zeigt, wird es nachträglich so weit gestutzt, bis seine gewollte Nichtwirkung wiederhergestellt ist.
Gemäß dieser Methode wollen nun Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Konsorten den gegen geltendes Recht verstoßenden Neubau des Kohlekraftwerks Datteln nachträglich legitimieren - indem sie den Landesentwicklungsplan kurzerhand ändern. Bisher ist darin festgelegt, dass "Kraftwerksplanungen nur realisiert werden, wenn damit in der CO2-Bilanz und bei anderen klimarelevanten Stoffen ein Fortschritt erreicht wird".
Weil das für das Projekt Datteln aber nicht zutrifft, der längst fortgeschrittene Bau mithin illegal ist, hat das Kabinett in Düsseldorf beschlossen, das Energiekapitel des Plans zu ändern. Eine ähnliche Denke herrscht übrigens auch in der Gemeinde Datteln, die ihren Bebauungsplan so anpassen will, dass auch aus Sicht der kommunalen Planung der bisherige Eon-Schwarzbau legalisiert wird.
Bernward Janzing schreibt seit vielen Jahren für die taz über Energiepolitik und Klimaschutz.
Diese Rundumschläge von Stadt und Land unterlaufen in einem Akt den Umweltschutz wie die demokratische Kultur gleichermaßen. Denn wie will man fortan die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Gesetzen sicherstellen, wenn diese für einen Großkonzern mal eben nachträglich zurechtgebogen werden?
Zum Glück kann Rüttgers aus formalen Gründen die Gesetzesänderung vor der Wahl nicht mehr realisieren. Und so könnte das Kraftwerk Datteln dann am Ende doch noch bleiben, was es faktisch ist: ein Schwarzbau.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen