Kommentar Kofferbomber: Kein Indiz für Tötungshemmung
Der "Kofferbomber" Youssef Mohamad El Haj Dib wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Richtig so, denn Reue war nicht zu erkennen.
Pascal Beucker
arbeitet seit 1999 für die taz, zunächst als Nordrhein-Westfalen-Korrespondent, dann als Redakteur im Inlandsressort. Er ist Verfasser mehrerer Bücher, unter anderen mit Anja Krüger: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur, München 2010).
So sehr die Polizisten-Freisprüche von Dessau auch empört haben: Man sollte sich davor hüten, Unvergleichbares zu vergleichen. Die lebenslange Haft für den "Kofferbomber" Youssef Mohamad El Haj Dib - das ist ein hartes Urteil, ohne Zweifel. Aber falsch ist es nicht. Nur weil in Dessau trotz aller Zweifel für die Angeklagten entschieden wurde, hat das Gericht im Fall des Kofferbombers nicht zu Unrecht gegen den Angeklagten geurteilt.
Mit El Haj Dib hat das Düsseldorfer Oberlandesgericht einen radikalislamistisch verhetzten jungen Mann mit einem abgrundtiefen Hass auf "den Westen" und alle "Ungläubigen" verurteilt. Eine Abkehr von seinem religiösen Fanatismus war in der rund einjährigen Hauptverhandlung nicht zu erkennen. Es war denn auch nicht mehr als ein ganz schwacher Strohhalm, an den sich die Verteidigung geklammert hat: Ihr Mandant, dessen Vorbilder Mussab al-Sarkawi und Ussama Bin Laden sind, habe im letzten Moment Gewissensbisse bekommen und die Sprengsätze absichtlich so konstruiert, dass sie nicht hätten explodieren können. Aus der ursprünglichen mörderischen Tat sei so ein symbolischer Akt des Protests geworden. Doch außer den fragwürdigen und widersprüchlichen Aussagen El Haj Dibs gibt es bis heute keinerlei Belege für diese Behauptung.
Im Gegenteil: Mit seinem im Libanon abgelegten Geständnis, Ziel des missglückten Anschlags sei gewesen, möglichst viele Menschen umzubringen, widersprach Mittäter Dschihad Hamad der Verteidigung von Anfang an. Dass er es zwischenzeitlich widerrufen hat, änderte nichts daran. Denn die Version, die Hamad anschließend lieferte, wirkte nicht nur unglaubwürdig - sie deckte sich vor allem weiterhin nicht mit der El Haj Dibs.
Die These der Bundesanwaltschaft, dass nur die technische Unfähigkeit der beiden Bombenbauer eine unbeschreibliche Katastrophe verhindert hat, ließ sich jedenfalls nicht widerlegen. El Haj Dib wollte töten und hätte viele getötet, falls er dazu in der Lage gewesen wäre. Wenn sich die Verhängung einer lebenslangen Haftstrafe rechtfertigen lässt, dann in solchen Fällen. PASCAL BEUCKER
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