Kommentar Klar-Freilassung: Recht vor Reue
Das Stuttgarter Oberlandesgericht entschied nicht nur, dass Ex-Terrorist Klar freikommt. Es hat auch das Recht auf freie Meinungsäußerung von Strafgefangenen gestärkt.
Der Beschluss des Stuttgarter Oberlandesgerichts, Christian Klars lebenslange Freiheitsstrafe ab 3. Januar 2009 zur Bewährung auszusetzen, folgt strikt rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Einmütigkeit, mit der alle Verfahrensbeteiligten einschließlich der Bundesanwaltschaft zu der Prognose gelangten, bei Klar seien künftig keine "schweren Straftaten zu befürchten", wird es rechten Medien und Politikern schwermachen, ihren Propagandafeldzug von 2007 zu wiederholen. Damals hatte anlässlich eines Gnadengesuchs Klars dessen Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Gesellschaft mit kapitalismuskritischem Inhalt genügt, um einen fortdauernden Terrorverdacht zu begründen. Die rechte Einheitsfront reichte von Bild bis Beckstein. Sie blieb nicht ohne Folgen für die Ablehnung des Gnadengesuchs.
Das Stuttgarter Gericht hingegen stellt fest, dass öffentliche Äußerungen Klars, selbst wenn sie "äußerst sozialkritischen" Charakter hatten, für die Prognose seines künftigen Verhaltens ohne Bedeutung seien. Damit ist ein Pflock zur Wahrung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung von Strafgefangenen eingeschlagen.
Klar hat sich bei den Angehörigen der Opfer nicht entschuldigt und sich nicht öffentlich von seinen Taten distanziert. Das sei, so das Gericht, für die Opfer eine schwere Belastung, für die Beurteilung von Klars künftigem Verhalten aber nicht von Bedeutung. Gerade dies, die Reue, hatten 2007 ja selbst viele liberale Geister zur Voraussetzung einer Begnadigung Klars durch den Bundespräsidenten gemacht. Zwar sind Begnadigung und Aussetzung der Reststrafe zwei unterschiedliche Rechtsinstitute. Aber für beide gilt, dass Zerknirschung und Reue niemals Vorbedingung zu ihrer Anwendung sein dürfen. Was ist eine Entschuldigung wert, die einem Gefangenen abverlangt wird?
Gut wäre es, wenn Christian Klar, in Freiheit gesetzt, sich an der Aufarbeitung der RAF-Geschichte beteiligen würde. Dies allerdings ist nur aussichtsreich, wenn die letzte RAF-Gefangene, Birgit Hogefeld, freigelassen ist und die Verfolgungsbehörden der Bundesrepublik auch von sich aus einen Schlussstrich unter dieses Kapitel gezogen haben.
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