Kommentar Kirchen zur Finanzkrise: Der Hochmut der Bischöfe
Mit ihren Einlassungen zur Wirtschafts- und Finanzkrise laufen die Kirchenvertreter dem gesellschaftlichen Mainstream hinterher. Sie sollten erst ihr eigenes Verhältnis zum Geld klären.
R echt flott und selbstbewusst präsentieren sich Deutschlands Bischöfe zum Weihnachtsfest als berufene Analytiker der Wirtschafts- und Finanzkrise. Der Katholik Robert Zollitsch kritisiert Politiker, die für die Bankenrettung mehr Geld übrig haben als fürs Kindergeld. Der Protestant Wolfgang Huber attackiert nachträglich Bankvorstände, die einst 25 Prozent Rendite forderten.
Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.
Mutig sind solche Einlassungen nicht, laufen die Kirchenvertreter doch nur dem gesellschaftlichen Mainstream hinterher. So war es schon vor fünf Jahren, als sie pünktlich zur Weihnachtszeit die Agenda 2010 bejubelten. Notwendig sei "mehr Eigenverantwortung", hieß es damals in einem Sozialpapier der Katholiken, das auch der Protestant Huber billigte. An der Abfassung beteiligt waren Exverfassungsrichter Paul Kirchhof, wenig später als Propagandist der Einfachsteuer geschmäht, und Exbundesbanker Hans Tietmeyer, jetzt als Aufsichtsrat der Pleitebank Hypo Real Estate geächtet.
Nach der Offenbarung solchen Wankelmuts sollten sich die Kirchen in Fragen der politischen Ökonomie lieber zurückhalten, statt zu definieren, was für Deutschlands Großkonzerne realistische Renditeziele sind. Doch wird ihnen das Schweigen nicht leichtfallen. Schließlich hat die Kirche zum Geld seit je ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits steht sie zum Materialismus in scharfer Konkurrenz, weil die Geschichte nur zwei funktionierende Systeme für die Zuweisung von Lebenschancen kennt - durch Gott oder durch Geld. Andererseits muss der Großkonzern Kirche um seiner eigenen Handlungsfähigkeit willen kräftig mitmischen im Geldgeschäft.
Die unterkomplexen Ausführungen, zu denen sich die Geistlichen an Weihnachten herabließen, werfen vor allem eine Frage auf: Wiegt die Habsucht der Manager, lateinisch avaritia, auf dem Sündenkonto schwerer? Oder doch eher der Hochmut, lateinisch superbia, mit dem Kirchenführer über Wirtschaftsfragen reden und dabei von eigenen Irrtümern nichts wissen wollen? Die Lektüre der Festbotschaften erzeugt am Ende einen Gemütszustand, in dem manche Theologen ebenfalls ein Laster sahen - tristitia, zu Deutsch: Trübsinn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers