Kommentar Katyn: Aussöhnung auf Raten
Das gemeinsame Gedenken von Russen und Polen in Katyn ist ein Anfang, um das Massaker aufzuklären. Wollen sie mehr erreichen, müssten beide Seiten .
M it der Geschichtslüge "Katyn" ist nun Schluss. Das hatten zwar schon russische Präsidenten wie Gorbatschow und Jelzin angekündigt, doch erst Putin lässt den Worten nun auch erste Taten folgen. Er ist der erste russische Premier, der einen polnischen Premier zu einer gemeinsamen Gedenkfeier in das westrussische Katyn eingeladen hat.
Seine Motivation ist schwer zu erraten: Echter Versöhnungswille mit den Polen? Oder doch nur Kalkül? Gute polnisch-russische Beziehungen würden Moskau auch die Politik gegenüber der EU und der Nato erleichtern.
Die Signale, die zur Zeit von Moskau ausgehen, sind widersprüchlich. Einerseits lädt Putin zum ersten Mal seit 70 Jahren zu einer gemeinsamen Gedenkfeier mit den Polen, setzt sich in seiner Rede in Katyn ganz klar von den Verbrechen "des Totalitarismus" ab und verspricht die Aufklärung der letzten Namen von Opfer. Andererseits erklärt die russische Regierung gegenüber dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg, dass nicht einmal klar sei, ob die Polen in Katyn tatsächlich ermordet worden seien. Von Rehabilitierung der Opfer oder gar Entschädigung ist da keine Rede.
Auch die Forderung des Warschauer Instituts des Nationalen Gedenkens, dass Russland das sowjetische Massaker von Katyn mit mehr als 20.000 ermordeten Offizieren als "Völkermord" anerkennen solle, trägt der Wahrheitssuche sicher nicht bei. "Völkermord" ist eindeutig definiert. Es ist der Versuch eines Staates, "eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören".
So steht es in der UN-Konvention von 1948. Das Massaker von Katyn ist sicher ein Kriegsverbrechen, aber kein Völkermord. Würde Polen von dieser Forderung ablassen, könnte die Gedenkfeier in Katyn tatsächlich den beginn der polnisch-russischen Aussöhnung markieren.
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