Kommentar Katholische Opfermythen: Skandal im Sperrbezirk
Italien mag ein Schonraum für den Klerus sein - doch die Welt ist es nicht. Dies sollten die Kleriker langsam begreifen.
Es scheint fast so, als reichten der katholischen Kirche die durch die Missbrauchsskandale produzierten Negativschlagzeilen nicht. Denn täglich produzieren führende Kleriker neue, diesmal mit rundum empörenden "Erklärungen".
Mit Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone ergriff zuletzt der wichtigste Mann der Kurie das Wort. Wenn Priester Kinder missbrauchen, wenn die Kirche das jahrzehntelang vertuschte, dann sind nicht jene Priester schuld, dann ist nicht die Kirche mitverantwortlich, dann darf auch nicht die Frage nach Zölibat oder Sexualmoral gestellt werden: Nein, schuld sind - die "Homosexuellen"!
Die Kirche als Opfer - dies ist das Schema ihrer Stellungnahmen in den letzten Wochen. Da vergleicht Vatikan-Prediger Raniero Cantalamessa die Attacken gegen die Kirche keck mit dem "Antisemitismus". Da redet der frühere Bischof von Grosseto, Giacomo Babini, gar von einer "zionistischen Verschwörung" - schließlich seien die Juden "ewige Feinde" und "Gottesmörder".
Die Monsignori bemerken gar nicht, dass sie sich um Kopf und Kragen reden. Das mag an der Sondersituation liegen, in der sie sich in Italien befinden. Weltweit ist die Kirche unter Beschuss - bloß eben in Italien nicht. Hier kann in der durchaus nicht als klerikal geltenden Tageszeitung Corriere della Sera der Schriftsteller Vittorio Messori geldgierige Opferanwälte aus den USA als die wahren Schuldigen ausmachen; hier schickt Berlusconis Justizminister dem Staatsanwalt Pietro Forno Inspektoren auf den Hals, weil der gesagt hatte, die Kirche habe die Täter aus ihren Reihen immer gedeckt. Italien mag ein Schonraum für den Klerus sein - doch die Welt ist es nicht. Auch dies sollten die Kleriker langsam begreifen.
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