Kommentar Katalonien: Die Realität war schneller
Die Wahl in Katalonien war eine herbe Niederlage für den Präsidenten. Jetzt steckt er in einer Zwickmühle.
D er Plan von Artur Mas ist gescheitert. Der aktuelle und künftige Präsident der Autonomieregierung Kataloniens zog die Wahlen um zwei Jahre vor – mit dem Versprechen, in der kommenden Legislaturperiode eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit seiner nordostspanischen Region abzuhalten.
Seine konservativ-nationalistische Convergència i Unió (CiU) wollte sich damit an die Spitze einer breiten Bewegung setzen, die im September weit über eine Million Menschen auf die Straßen Barcelonas brachte. Doch die CiU brach bei den Wahlen ein. Stattdessen profitierte die linksseparatistische Republikanische Linke Kataloniens (ERC) von der Unabhängigkeitsdebatte.
Artur Mas befindet sich in einer Zwickmühle, aus der er so leicht nicht mehr herauskommen wird. Ein Rückzieher in Sachen Unabhängigkeit würde seiner CiU bei einem künftigen Urnengang noch mehr Stimmenverluste in Richtung Separatisten bescheren. Doch mit der Duldung von ERC zu regieren ist unmöglich. Zu unterschiedlich sind die politischen Ansätze, wenn es um Krisenbewältigung geht. Während CiU – wie übrigens auch die verhasste konservative Volkspartei (PP) von Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy – ausschließlich auf einen harten Kürzungskurs im Sozialwesen und im öffentlichen Dienst setzt, sind die Linken von ERC dafür nicht zu haben.
ist Spanien-Korrespondent der taz in Madrid.
Die Realität hat Mas eingeholt. Die soziale Proteste werden zunehmen, der Ruf nach Unabhängigkeit auch. Außerdem wird die Kritik im eigenen Lager lauter. Denn auch dort sind nicht alle von separatistischen Experimenten begeistert, die die Industrieregion Katalonien vom spanischen und vom europäischen Markt abschneiden könnten. Mas ist nicht jetzt nur geschwächt, er ist künftig auch Spielball völlig widersprüchlicher Interessen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus