Kommentar Kanzlerin: Konsequent alternativlos
Wie einst Gerhard Schröder seine "Agenda 2010" als "alternativlos" bewarb, argumentiert die Kanzlerin für das Recht auf Enteignungen.
Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.
Nach drei Jahren im Amt ist Angela Merkel an dem Punkt angekommen, bis zu dem ihr Vorgänger fünf Jahre brauchte. Um den Widerstand von Parteifreunden gegen die mögliche Enteignung von Bankaktionären zu ersticken, bezeichnete die Bundeskanzlerin das entsprechende Gesetz am Mittwoch als "alternativlos". So sprach auch Gerhard Schröder, als er den Sozialdemokraten seine "Agenda 2010" schmackhaft machen wollte.
In beiden Fällen redeten die Vorsitzenden gegen eine ideologische Parteibasis an. Damals hielt die SPD-Linke jede Veränderung am Status quo des deutschen Sozialstaats für sakrosankt. Heute wenden sich CDU-Mittelständler "konsequent" gegen Enteignungen. Als wäre "Konsequenz" nicht eines jener deutschen Unwörter, die es in anderen Sprachen gar nicht gibt, ein Synonym für Realitätsblindheit und Prinzipienreiterei. Als sei die CDU jemals "konsequent" gegen Enteignung und Staatswirtschaft aufgetreten. Die Bauern, die Grundstücke für Straßenprojekte hergeben mussten, können das jedenfalls nicht bezeugen. Ebenso wenig die Weingärtner oder Bierbrauer, die vor allem in unionsregierten Bundesländern mit entsprechenden Staatsbetrieben konkurrieren müssen. Von den Rufen der CDU-Ministerpräsidenten nach Staatshilfen für Opel ganz zu schweigen.
Ideologisch ist aber auch Schröders und Merkels Behauptung, irgend ein Gesetz sei "alternativlos". Das galt nicht für Hartz IV, und es gilt nicht für das gestern im Kabinett beschlossene Gesetz zur Stabilisierung der Finanzmärkte. Man kann die Hypo Real Estate pleitegehen lassen, man kann auch weitere Staatsmilliarden ohne jede Gegenleistung hineinpumpen. Die Frage ist, ob man das will. Das aber ist Gegenstand einer politischen Debatte - ebenso wie die sogenannten Detailfragen, die am Ende oft die wichtigsten sind. Vor diesem angeblichen Vermittlungsproblem kapituliert jetzt die Pragmatikerin Merkel ebenso, wie es einst der Pragmatiker Schröder tat.
Auf die Ideologen in den eigenen Reihen antwortet sie mit ideologischer Rhetorik. Da offenbaren die beiden eine Gemeinsamkeit, die das oberflächliche Gerede über Basta-Politik versus Führungsschwäche verdeckt. RALPH BOLLMANN
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