Kommentar Kanzlerin: Merkels gesammeltes Schweigen
Freundlich ausgedrückt, wählt die Kanzlerin ihre Schlachten daher genau. Weniger freundlich gesagt, drückt sie sich vor Auseinandersetzungen, wo immer sie kann.
D as Abwägen, Abwarten und Aussitzen hat Angela Merkel bislang viel Erfolg eingebracht. Nach sieben Jahren des Basta-Kanzlers Gerhard Schröder empfanden viele ihre unaufgeregte Art des Regierens als angenehm, effizient und präsidial. Mit diesem Nimbus aber ist es seit der vergangenen Bundestagswahl vorbei: Das zeigt die offene Kritik aus den CDU-Landesverbänden.
Merkel steckt in einem Dilemma: Ihr moderierender Führungsstil brachte ihr weit über die Unionswählerschaft hinaus Sympathien ein. Diese Popularität braucht sie als Gegengewicht zur Machtbasis in der Union, die ihr immer noch fehlt. Im Bündnis mit der SPD konnte sich Merkel als überparteiliche Instanz profilieren, als Königin der Kompromisse. In der "Wunschkoalition" mit der FDP aber stößt die Methode Merkel an ihre Grenzen. Denn legt sich Merkel bei einem Thema fest - sei es in Sachen Steuersenkungen oder der Causa Steinbach -, riskiert sie Widerstand - entweder in der Bevölkerung oder in ihrer eigenen Partei.
Freundlich ausgedrückt, wählt die Kanzlerin ihre Schlachten daher genau. Weniger freundlich gesagt, drückt sie sich vor Auseinandersetzungen, wo immer sie kann.
Jetzt geht das nicht mehr, denn die unrealistischen Steuerversprechen der FDP gefährden auch die Glaubwürdigkeit der Union. Die Kritik aus vier CDU-Landesverbänden dient auch dazu, sich abzusichern: Geht in Nordrhein-Westfalen im Mai die schwarz-gelbe Mehrheit verloren, können sie sagen, sie hätten noch rechtzeitig gewarnt.
Merkel muss in den Konflikten um Steuern, Steinbach & Co jetzt endlich sagen, was sie will. Sonst steht sie am Ende da als Kanzlerin der FDP, der Vertriebenen und der Hoteliers.
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