Kommentar Journalismus und PR: Nö, nicht mit mir
Ist es in Ordnung, wenn sich Journalisten von Katarern und dem Internationalen Handball-Verband bezahlen lassen? Nein. Ganz und gar nicht.
6 80 Journalisten aus aller Welt, von den Cook Islands bis Vanuatu, wurden zur Handball-Weltmeisterschaft in Katar „eingeladen“. Das sind fast 40 Prozent aller anwesenden Berichterstatter. Sie mussten nichts zahlen für Flug und Unterkunft. 20 deutsche Journalisten haben dieses Angebot vom Weltverband IHF und den Katarern angenommen. Sie schrieben eifrig über die überraschenden Erfolge des DHB-Teams in der Vorrunde und das Aus im Viertelfinale gegen Katar.
Es heißt, die Einladung durch die Katarer und den Internationalen Handball-Verband habe ihre Haltung nicht verändert, sie seien jetzt vielleicht sogar noch kritischer eingestellt. Muss man den Katarern also dankbar sein, weil sie den kritischen Journalismus befördert haben und obendrein noch die Verbreitung des Handballsports in aller Welt, zum Beispiel auf den Cook Islands?
Die Katarer haben sehr viel Geld. Es sprudelt einfach so aus dem Boden. Damit lässt sich die halbe Welt kaufen, offensichtlich auch Journalisten aus westlichen Demokratien. Von da kommt ja viel Kritik am kleinen Wüstenstaat wegen der versklavten und geknechteten Zwangsarbeiter, der Menschenrechtslage und der Unterstützung von Terroristen. Die Katarer wissen nun: Auch westliche Journalisten sind verführbar. Geld scheint wie ein Wundermittel zu wirken gegen Gewissensbisse. Nur ein bisschen plump haben sie es gemacht mit ihrem „Business Deal“. Aber daraus werden die Katarer ihre Lehren ziehen. Denn der deutsche Journalist gibt sich manchmal schon mit weniger zufrieden.
Die Versuche von Unternehmen, der PR-Branche, Parteien, Gewerkschaften, Fußballklubs oder mächtigen Einzelpersonen, die Zunft der Journalisten zu beeinflussen, sind mannigfaltig. Hundertschaften von hochprofessionellen Kommunikationsexperten werden in der freien Wirtschaft beschäftigt, um die Zeitungsschreiber zu indoktrinieren, ihnen Halbwahrheiten oder sogar Lügen unterzuschieben, sie mit großen und kleinen Vergünstigungen zu manipulieren. Es muss kein Geld fließen, manchmal reicht schon eine „arbeitserleichternde Gunst“, wie es ein Kollege ausdrückte, eine exklusive Einladung in einen Zirkel der Mächtigen, Geschenke zur rechten Zeit.
Es braucht Standhaftigkeit
Manchmal reicht auch die implizit oder sogar offen ausgesprochene Drohung, aus dieser feinen Runde herauszufliegen, wenn die Berichterstattung nicht stimmt. Die PR-Leute sind vermeintlich auf der stärkeren Seite, denn sie verfügen über viel Geld und Einfluss – und der Printjournalismus kämpft mehr oder weniger ums Überleben. Es braucht schon eine gewisse Standhaftigkeit, um dem Druck der Gegenseite zu widerstehen.
Viele Sportjournalisten finden es freilich toll, bei großen Ereignissen dabei zu sein. Oder bei einer Gala nach dem Champions-League-Spiel eines Bundesligisten. Sie essen und trinken dann gratis und sind ganz nah bei den Fußballstars. Beeinflusst das die Berichterstattung? Nein, sagen die einen, alles nur Recherche; ja, die anderen. Sehr oft ist es einfach nur die Nähe zum Objekt, die wie ein Weichspüler auf die journalistische Strickware wirkt. Dann fühlt sich manches, was zu Papier gebracht wird, flauschig und soft an und verströmt den faulig-süßen Duft von Gefälligkeiten. Die PR-Abteilungen versuchen unentwegt, Journalisten zum verlängerten Arm ihrer Absichten zu machen; vor allem Auto- und Reisejournalisten sowie Blogger sind in Verruf geraten.
Es geht darum, ihnen allen den kritischen Zahn zu ziehen, auch den Schreibern in der Politikbranche oder der Kultur. Das probiert man meist mit „weicher PR“, kleinen und großen Häppchen: Wer darf in die Kanzlermaschine? Wer zum Exklusiv-Interview mit Joachim Löw? Wer bekommt acht Akkreditierungen fürs sportliche Großereignis und wer nur eine – oder gar keine? Umgarnen und umschmeicheln ist das Motto. Aber auch: abstrafen, blockieren und am langen Arm der Informationsverweigerung verhungern lassen. Immer wieder muss man als Journalist abwägen und sich die Frage stellen: Darf ich das oder sollte ich das lieber bleiben lassen?
Weil der Einzelne manchmal damit überfordert ist, verordnen sich große Zeitungshäuser wie Springer Compliance-Regeln. Daraus ergibt sich, dass es sich nicht ziemt, eine Einladung des Handball-Verbandes anzunehmen. Daraus ergibt sich nämlich ein Interessenkonflikt, der unlösbar ist. Selbst wenn man ihn offenlegt, bleibt mehr als ein Geschmäckle.
Gebot der Stunde: Transparenz
Genauso ist es nicht in Ordnung, zig Moderationen für die IG Metall zu übernehmen und dann Gewerkschaftstexte in Zeitungen zu platzieren. Oder als Wirtschaftsredakteur Börsengeschäfte zu betreiben. Oder als Autojournalist übers neueste VW-Modell zu schreiben und gleichzeitig einen VW-Käfer mit Journalistenrabatt zu erstehen. Oder teure Werbegeschenke von Red Bull anzunehmen und dann eine Hagiografie über Felix Baumgartner zu verfassen.
Im Redaktionsstatut der taz findet sich der Passus: „Externes Sponsoring von Reisen und Recherchen ist in geeigneter Weise transparent zu machen.“ Transparenz ist das Gebot der Stunde, denn nur wenn Journalisten, die für sich reklamieren, unabhängig und kritisch zu sein, offenlegen, in welchem Spannungsverhältnis sie arbeiten, welchen Verführungen sie ausgesetzt sind, kann’s funktionieren. Nur dann bleiben sie glaubwürdig.
Viele arbeiten nach dieser Maxime, doch nicht wenige verschleiern ihre Abhängigkeiten, ihre Distanzlosigkeit – und verschanzen sich hinter Schutzbehauptungen: Das machen doch alle so! Ich bin trotz allem nicht korrumpierbar! Als freier Journalist bin ich aufs Sponsoring von Reisen einfach angewiesen!
Oft begeben sich Redaktionen und Journalisten bei gesponserten Reisen oder Rundum-sorglos-Paketen auf eine heikle Gratwanderung. Neben der Offenlegung tut es manchmal aber auch ein einfaches Nein. Nö, nicht mit mir. Das ist kein Heldentum, sondern gelebter, ehrlicher Journalismus.
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