Kommentar Jens Weinreich: Wenn Egos übern Rasen rasen
Der Sportjournalist Jens Weinreich darf nicht mehr für den Deutschlandfunk arbeiten und nennt es Berufsverbot. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.
J ens Weinreich gehört unbestritten zu Deutschlands besten und politischsten Sportjournalisten. Dass man Letzteres beim Sport immer noch ausdrücklich betonen muss, deutet schon auf das grundlegende Dilemma des Sportjournalismus hin. Umso bedauerlicher ist, dass Deutschlandfunk (DLF) und Deutschlandradio schon länger auf die einst regelmäßige freie Mitarbeit von Weinreich verzichten.
Dieses von ihm so empfundene „Berufsverbot“ im nationalen Rundfunk hatte Weinreich am Freitag in seinem Blog öffentlich gemacht. Seitdem wird vor allem im Netz debattiert, und der Untergang der Pressefreiheit steht wie immer unmittelbar bevor.
Halblang, ihr Frühstarter! Natürlich gehört Drama zu jeder guten Inszenierung. Doch hier scheint es eher darum zu gehen, dass sich ein aus guten Gründen großes Ego durch den Strafraum eines sich gerade neu formierenden Senderteams bolzte: Herbert Fischer-Solms, fast 40 Jahre beim Deutschlandfunk die Instanz in Sachen Sport, ging zum Jahreswechsel in den Ruhestand. Die Nachfolge-Truppe um Astrid Rawohl spielt wie jedes Team nach Trainerwechsel vielleicht noch nicht wieder so ganz geschlossen.
ist Medienreporter der taz.
„Weinreich verunglimpfte mehrfach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Redaktion und stellte deren Kompetenz in Frage. Außerdem versuchte er in redaktionelle Belange einzugreifen, um eigene Interessen durchzusetzen“, heißt es in der offiziellen Einlassung des Senders. Natürlich ist der Deutschlandfunk ein bisschen der durchformalisierte Bürokratenhaufen, als den ihn jetzt selbsternannte Platzwarte in der Weinreich-Debatte verspötteln. Macht aber die wohl kritischste und politischste Sportberichterstattung aller öffentlich-rechtlichen Radios.
Damit ist die ganze Nummer vor allem eins – ein Match, bei dem es nur Verlierer gibt: Jens Weinreich, den Deutschlandfunk – und die an kritischem Sportjournalismus interessierte Öffentlichkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt