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Kommentar Jauch statt WillRechristiansenisierung

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Für eine kritische und pluralistische Öffentlichkeit ist die Berufung Jauchs ein Rückschritt. Will hatte das Sendungsprofil nach links verschoben, Jauch steht für Bürgerlichkeit.

Jauch verdrängt Will: Ein Rückschritt! Bild: dpa

Nun also doch. Dreieinhalb Jahre nachdem Günther Jauch schon einmal als Nachfolger von Sabine Christiansen für den prominenten Polittalk-Sendeplatz am Sonntagabend in der ARD im Gespräch war, ist der Deal nun perfekt. Die ARD-Oberen feiern das jetzt als "perfekten Coup".

Unter Marketingsgesichtspunkten mag das stimmen. Für eine kritische und pluralistische Öffentlichkeit ist diese Berufung allerdings ein Rückschritt. Nicht nur, weil man sich am omnipräsenten Dackelblick des populären TV-Moderators längst sattgesehen hat. Sondern auch, weil mit seiner Verpflichtung eine "Rechristiansenisierung" des sonntäglichen Polittalks droht. Hatte Anne Will das Profil ihrer Sendung deutlich nach links verschoben, so steht der mehrfache Millionär und Villenbesitzer aus Potsdam, der sich auch ein wenig karitatives Engagement leistet, nun wieder für bürgerlich-konservative Werte.

Bild: taz

Daniel Bax ist Meinungsredakteur der taz.

In Jauchs Verpflichtung zeigen sich die frappierende Mutlosigkeit und der tief sitzende Minderwertigkeitskomplex des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Statt stolz zu sein auf die Stars, die man wie Anne Will oder Frank Plasberg aus eigener Kraft aufgebaut hat, und es als Kompliment zu betrachten, wenn sie - wie Günther Jauch - eben irgendwann der besseren Verdienstmöglichkeiten wegen zur privaten Konkurrenz wechseln, schielt man immer wieder neidvoll auf deren Quoten. So kommt es, dass man einem massentauglichen Mainstreamstar wie Jauch nun den roten Teppich ausrollt und dafür das journalistische Eigengewächs Anne Will quasi zur Zwischenlösung degradiert.

Das also plant die ARD mit dem vielen Geld, das sie durch die anstehende Neuregelung der Rundfunkgebühren einzunehmen hofft. Innovation sieht wahrlich anders aus.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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