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Kommentar JanukowitschVergiftete Offerte in Kiew

Kommentar von Barbara Oertel

Die Macht des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch bröckelt. Auch Politiker und Oligarchen gehen auf Distanz. Da hilft auch sein jüngster Winkelzug nichts.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Wiktor Janukowitsch 2001. Bild: dpa

D a geht doch was: Noch vor einer Woche waren die Führungsspitzen der politischen Opposition dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch nicht einmal ein persönliches Gespräch wert. Jetzt bietet er zweien von ihnen, dem Chef der Vaterlandspartei Arsenij Jazenjuk und Exboxweltmeister Vitali Klitschko, Regierungsämter an.

Der jüngste Winkelzug von Janukowitsch, mit dem er versucht, die Opposition zu spalten, macht eines unmissverständlich klar: Dem Staatschef dämmert, dass ihm das Wasser bis zum Hals steht und seine Zeit abgelaufen ist. Die Basis seiner Macht bröckelt.

Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um die Demonstranten in Kiew, die ihre Proteste unbeirrt fortsetzen. Auch die Kontrolle über immer mehr Regionen, in denen die Menschen aufbegehren, scheint der Zentrale in Kiew langsam, aber sicher zu entgleiten. Oligarchen wie Rinat Achmetow gehen zu Janukowitsch mittlerweile genauso auf Distanz wie Abgeordnete und andere Amtsträger der Partei von Janukowitsch.

Die Opposition tut in dieser Situation gut daran, sich nicht auf faule Kompromisse einzulassen. Zum einen würde sie damit ihre eigene Glaubwürdigkeit untergraben. Zum anderen wäre sie ohne eine Mehrheit im Parlament und mit nur beschränkten Regierungsvollmachten ohnehin kaum handlungsfähig.

Die Frage ist, ob Klitschko und seine Mitstreiter, die mindestens genauso viel trennt wie eint, es schaffen, an einem Strang zu ziehen. Das gilt auch im Hinblick auf faschistoide gewaltbereite Demonstranten, denen nicht das Feld überlassen werden darf. Das gilt aber vor allem für die Erfüllung der Maximalforderung: Rücktritt von Janukowitsch und schnellstmöglich vorgezogene Präsidentenwahlen. Die Chancen, dass Janukowitsch einlenkt, sind gut. Jetzt gilt es, sie zu nutzen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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5 Kommentare

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  • FF
    Fragen über Fragen

    Findet ihr es nicht komisch das die Ziele der Faschos und diejenigen, die ihr hiermit unterstützt, ziemlich d'accord gehen? Ist euch das nicht unangenehm, bedarf das nicht einer Erklärung?

    Wäre es euch lieber die Faschos wären nicht gewaltbereit, wären das dann normale Bürger? Aber wer würde in diesem Falle noch den Druck auf der Strasse ausüben, der Janukowitsch zum einlenken bewegt?

  • ZV
    zweiter Versuch - weniger polemisch

    "Das gilt auch im Hinblick auf faschistoide gewaltbereite Demonstranten, denen nicht das Feld überlassen werden darf. (...) Die Chancen, dass Janukowitsch einlenkt, sind gut. Jetzt gilt es, sie zu nutzen."

     

    Die Faschsiten sind also die willfährigen Idioten, quasi die SA, die die Drecksarbeit auf der Strasse erledigt, auf die man aber aufpassen muss, dass sie nicht zu sehr die Oberhand gewinnen, Zwecks... ja, warum eigentlich, wo trennt's denn? Die wollen doch schließlich auch nur das der demokratisch gewählte Janukowitsch mittels des aufgebauten Drucks der Strasse vom Amt zurücktritt. Jetzt, wo die praktizierte Gewalt der Faschisten die Chancen steigen lassen das Janukowitsch einlenkt, benötigt man sie nicht mehr.

    Konsequent sich positionierender Antifaschismus argumentiert irgendwie anders.

  • K
    KommtZurBesinnung!

    Deshalb werden alle gebraucht! Eine Spaltung der Ukraine

    ist abzulehnen. Das Ausland betrachtet häufig die Ukraine als eine

    Art Kunststaat, um ihn leichter zersplittern und gefügig machen zu können. Es ist wichtig dem entgegenzutreten und dieses Land geeint zu führen. Und dann heißt das Neutralität zu allen Machtblöcken!

     

    RED: Kommentar gekürzt

  • K
    KommtZurBesinnung

    Wäre es nicht einfach besser ein halbes Jahr, wenigstens ein

    halbes Jahr einfach mal normale demokratische Politik einzuüben

    mit Regierung und Opposition und Politik für die eigenen

    gewonnenen Wahlbezirke und das gesamte Land und einfach das Mandat auszuüben und sein

    Geld als PolitikerIn zu Recht zu verdienen?

     

    Danach kann man immer noch Neuwahlen machen!

    Wird Herr Klitschko in Zukunft immer wenn er politisch unterliegt,

    die ultimative Totalvernichtungsrevanche einfordern?

     

    Die Proteste drücken nur scheinbare Stärke aus, denn in Wahrheit

    wurden die Protestanten vom Ausland finanziert!

    Bei irgendwem (amerikanische Geheimdienste, deutsche Stiftungen, EU usw.??)

    steht die Opposition gewaltig in der Schuld.

    Und die Regierung steht höchstwahrscheinlich mindestens bei den Russen

    stark in der Schuld.

    So dumm sich als potentielles Stellvertreterkriegsfeld, wie Syrien,

    sich zu prädestinieren, darf man nicht sein!

    Auch das ist eine Auslieferung der Ukraine an andere Mächte. Genauso schlecht wäre

    die Anstellung russischer Söldner auf Seiten von Janukowitsch!

    Die Ukraine muss unabhängig ihre Politik im Diskurs aushandeln

    und weder der Vasall der EU, noch der USA, noch Russlands oder einer

    anderen Macht sein! Das setzt aber voraus, dass diese Leute miteinander

    zivilisiert umgehen können! Alle heutigen "Helden" könnten die zukünftigen, neuen TyrannInnen werden! Der Alltag jenseits irgendwelcher

    Aufstände kann sehr steinig sein und da ist es wichtig, dass ein Volk

    zusammenhält, aber auch nicht radikalisiert ist.

  • K
    KetaKate

    Sollte es nicht eher heissen Minimalforderung?