Kommentar Irreguläre Einwanderer: Ansatzweise menschlich
Illegale Einwanderung lässt sich in einem demokratischen Rechtsstaat nur verringern, verhindern lässt sie sich nicht.
Lange haben sich die verschiedenen Bundesregierungen - und insbesondere die Union - der Realität im Umgang mit irregulären Einwanderern schlicht verweigert. Jetzt hat das von CDU-Mann Wolfgang Schäuble geführte Innenministerium mittels komplizierter Verwaltungsvorschriften zumindest eines anerkannt: Auch Einwanderer, die sich illegal in Deutschland aufhalten, brauchen im medizinischen Notfall Hilfe. Sie können künftig ein Krankenhaus aufsuchen - ohne Angst haben zu müssen, dass sie auffliegen und abgeschoben werden. Die Meldepflicht an die Ausländerbehörde, die bislang bestand, ist in diesen Fällen aufgehoben.
Das ist ein überfälliger, ein erster Schritt, um Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus hierzulande zu grundlegenden Rechten zu verhelfen. Denn ob man will oder nicht: Zwischen 500.000 und einer Million Menschen, so schätzen Experten, halten sich illegal in Deutschland auf. Sie leben und arbeiten hier, sind mit ihren Kindern gekommen und haben neue zur Welt gebracht. Legal hatten die meisten von ihnen schlicht keine Chance einzureisen. Trotz aller Abschottung wird es so weitergehen: Menschen werden kommen und bleiben, solange es ein Wohlstandsgefälle in der Welt gibt und in Westeuropa billige Arbeitskräfte nachgefragt werden. Denn illegale Einwanderung lässt sich in einem demokratischen Rechtsstaat nur verringern, verhindern lässt sie sich nicht.
Diese Realität muss die neue Bundesregierung endlich anerkennen. Und dafür sorgen, dass grundlegende Rechte auch für Irreguläre gelten. Die Betroffenen brauchen Zugang zu einer medizinischen Basisversorgung, sie brauchen die Möglichkeit, säumige Arbeitgeber oder skrupellose Wohnungsbesitzer zu verklagen und ihre Kinder in die Schule zu schicken - ohne Angst vor Meldung und Abschiebung haben zu müssen. Das ist das Mindeste. Eine neue Verwaltungsvorschrift reicht dafür nicht.
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