Kommentar Irlands EU-Referendum: Fast schon wie die Schafe
Das Ja zum Fiskalpakt ist fatal, weil es das Signal aussendet, dass die Iren damit einverstanden sind. Die Zeche zahlen die unteren Einkommensschichten.
D ie Iren sind ein komisches Volk. Einerseits schimpfen sie über die drakonischen Sparmaßnahmen der Regierung, die vielen Menschen die Existenzgrundlage geraubt haben, andererseits stimmen sie für den Europäischen Fiskalpakt, der ein noch drastischeres Austeritätsprogramm in der irischen Verfassung verankert.
Der Fiskalpakt ist ein neoliberales Projekt made in Germany. Die Zeche zahlen die unteren Einkommensschichten und die Arbeitslosen. Der Pakt dient dazu, den Sozialstaat zu demontieren und die Arbeitslosenzahlen auf einem „natürlichen Niveau“ zu halten, um die Löhne drücken und die Gewerkschaften entmachten zu können.
Doch der Fiskalpakt wird die Krise verschärfen, denn mit Sparmaßnahmen alleine kommt man ihr nicht bei. Das haben nicht nur in Irland die vergangenen vier Jahre bewiesen. Trotz sieben Sparhaushalten hat sich die Arbeitslosigkeit verdreifacht, die Wirtschaft stagniert, die Emigration ist wieder auf dem Stand der Siebzigerjahre. Die Schere zwischen Armen und Reichen geht weiter auseinander.
Der Fiskalpakt dient auch dazu, die Spekulationsverluste der deutschen, schweizerischen, britischen und französischen Banken auf die unteren Einkommensschichten abzuwälzen, denn die sind von den Kürzungen am stärksten betroffen. Das Ja zum Fiskalpakt ist fatal, weil es das Signal aussendet, dass die Iren damit einverstanden sind. Sie sind die einzigen, die über den Pakt abstimmen durften, und haben die Chance vertan, durch ein Nein wenigstens eine Debatte darüber zu entfachen.
Die Hälfte der Bevölkerung hatte sich offenbar schon vorher in ihr Schicksal ergeben und gar nicht erst abgestimmt. Auf Unwissenheit können sie sich später nicht berufen: Die Kampagne für ein Nein hat auf die negativen Folgen des Fiskalpakts deutlich genug hingewiesen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier