Irland stimmt für harten Sparkurs: Angst schlägt Wut
Die Iren haben per Referendem für den Europäischen Fiskalpakt gestimmt. Nun drohen höhere Steuern und Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen.
DUBLIN taz | Die Iren haben den Europäischen Fiskalpakt am Donnerstag per Volksentscheid abgesegnet, obwohl die Umfragewerte für die Regierungskoalition aus konservativer Fine Gael und Labour Party seit ihrem Amtsantritt vor einem Jahr stetig in den Keller gegangen sind. Gleichzeitig hat Sinn Féin, der politische Flügel der inzwischen aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA), der gegen den Fiskalpakt eintrat, nun doppelt so viele Anhänger wie Labour.
Dass die Wähler dennoch mit rund 60 zu 40 Prozent für den Fiskalpakt stimmten, liegt an der Einschüchterungskampagne der Regierung, sagte am Freitag der Abgeordnete der United Left Alliance, Richard Boyd-Barrett. Die Angst war stärker als die Wut.
Ohne Zustimmung zum Fiskalpakt, so drohte die Regierung, könne Irland keine Gelder aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) erwarten. Der Pakt soll die Unterzeichner zu strenger Haushaltsdisziplin zwingen. Andernfalls drohen Geldstrafen. Anders als bei den Verträgen von Nizza und Lissabon hatten die Iren diesmal kein Veto. Der Fiskalpakt tritt am 1. Januar 2013 in Kraft, wenn zwölf der 17 Länder der Eurozone ihn ratifiziert haben.
Lediglich die Hälfte der Wahlberechtigten hat abgestimmt, es war die niedrigste Wahlbeteiligung bei einem Referendum zu Europa. Zustimmung kam vor allem aus den ländlichen Gebieten mit Ausnahme des Nordwestens, aus den Vierteln der Mittelschicht in den Städten sowie von älteren Menschen. Aus den Arbeitervierteln und von jüngeren Leuten kam dagegen ein Nein.
„Willkommen im Bundestag (irische Zweigstelle)“
Der sozialistische Europa-Abgeordnete Paul Murphy sagte, die versprochene Stabilität werde nicht eintreten. „Der Kampf gegen Austerität muss nun in den Gemeinden und an den Arbeitsplätzen geführt werden“, sagte er. Die Gegner des Fiskalpakts haben ein Transparent vor dem Dubliner Parlament aufgehängt: „Willkommen im Bundestag (irische Zweigstelle)“, steht darauf – ein Hinweis auf die Urheberin des Fiskalpakts, Bundeskanzlerin Angela Merkel.
In Irland hat die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) ein Spardiktat verhängt, seit sie der Grünen Insel vor gut zwei Jahren 67,5 Milliarden Euro Kredite bewilligt hat. Die irische Regierung hat während ihrer Kampagne für den Fiskalpakt ihre Amtsgeschäfte mehr oder weniger ruhen lassen und über weitere Sparmaßnahmen tunlichst geschwiegen, um das Volk nicht ins Lager der Nein-Sager zu treiben.
Doch nun stehen Entscheidungen an, zum Beispiel die angekündigte Immobiliensteuer, die bei 3.000 Euro im Jahr liegen könnte. Sie trifft nicht nur die oberen Einkommensschichten, denn Hausbesitz ist in Irland weiter verbreitet als in den meisten anderen EU-Ländern: Rund 80 Prozent der Iren leben in Einfamilienhäusern, rund 80 Prozent davon sind die Eigentümer.
Außerdem wird die Regierung ihre pauschale Haushaltssteuer, die bisher von rund der Hälfte der Bevölkerung boykottiert wird, mit Zwangsmaßnahmen durchsetzen. Im Bildungs- und Gesundheitsbereich sind weitere Kürzungen fällig, im öffentlichen Sektor, der bereits Gehaltseinbußen von bis zu 20 Prozent hinnehmen musste, sind ebenfalls weitere Einsparungen geplant.
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